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Die Kanonen von Dambanor II

Die Kanonen von Dambanor II

Titel: Die Kanonen von Dambanor II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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noch weiter zu dezimieren.
    »Sie fliehen in Richtung des offenen Meeres«, staunte der Zweite Offizier. »Ich frage mich, weshalb sie so töricht sind und nicht auf das rettende Ufer zurudern.«
    »Vielleicht ist dort ja Land, und wir wissen es nur nicht«, wandte Kapitän Bedros ein.
    »Irgendeine der vorgelagerten Inseln?« Der Zweite Offizier ließ die gespaltene Zunge auf der rechten Seite aus dem lippenlosen Reptilienmaul herausfahren und von dort aus in den linken Winkel schnellen, um sie anschließend mit einem saugenden Geräusch verschwinden zu lassen. Ein Gheroor aus dem Reich der Seekönige pflegte so seine Skepsis deutlich zu machen. Außerhalb dieses Reichs war die Geste jedoch völlig unbekannt – von ein paar Hafenstädten vielleicht einmal abgesehen, in denen sie durch Seefahrer aus Soroba, Tambanar oder Gadaros bekannt geworden war.
    »Wir wissen nicht, wo wir genau sind.«
    »Trotzdem erscheint mir das Handeln der Piraten sinnlos. Aber es mag sein, dass Sie recht haben, Kapitän. Vielleicht sind hinter dem Nebel einige Inseln voller Piratennester.«
    Das durchdringende Kreischen der Domboy-Vögel ertönte erneut. Eines der Tiere kam dem am weitesten zurückliegenden Boot zu nahe und versuchte einen eher halbherzigen Angriff auf die Insassen. Aber die fackelten nicht lange. Die Schussgeräusche mehrerer Musketen donnerten weithin hörbar durch den Nebel. Für Augenblicke blieben die Mündungsfeuer in der Dunkelheit sichtbar.
    Einen der Domboy-Vögel erwischte es. Sein Schrei war so schaurig, wie diese ganze Nacht. Er segelte kopfüber ins Wasser.
    Kapitän Bedros schlug dem Zweiten Offizier anerkennend auf die Schulter und stieß dazu einen Zischlaut hervor. Außerdem ließ er sein Nasenzäpfchen so durchdringend schnarren, dass es womöglich noch die flüchtenden Piraten mitbekamen. »Es gibt keine Gerechtigkeit. Sonst wäre dieser armen Kreatur jetzt nicht die Mahlzeit verwehrt worden.«
    Der Zweite Offizier antwortete ebenfalls mit einem Schnarrlaut.
    Die beiden Gheroor amüsierten sich köstlich. Die Anspannung, die beide noch vor wenigen Augenblicken so sehr beherrscht hatte, schien auf einmal von ihnen abgefallen zu sein.
    Aber dieser Zustand innerer Ruhe währte nicht lange.
    Nur so lange, wie es dauerte, die durchsichtigen Schutzlider über die Augen zu ziehen, was einem Gheroor zwar geringfügig den Blick trübte und seine Sehschärfe um einige Prozent herabsetzte, das Auge aber sehr gut schützte.
    Etwas Unfassbares geschah. Etwas, mit dem nicht einmal jene gerechnet hatten, die dem Glauben an die Alten Götter noch immer anhingen.
    Ein unartikulierter, seine Fassungslosigkeit illustrierender Zischlaut kam aus Kapitän Bedros' halb geöffnetem Echsenmaul. Die Doppelzunge lag über den angespitzten Zahnreihen wie ein gebrauchter Waschlappen. Vollkommene Fassungslosigkeit beherrschte die Seele jenes erfahrenen Seefahrers, den ansonsten doch so gut wie nichts aus der Ruhe zu bringen vermochte.
    Das Wasser begann zu blubbern. Blasen bildeten sich und zerplatzten. Es ähnelte dem Sud einer Fischsuppe, wie sie von den Frauen des Seekönigreichs traditionellerweise bei Hochzeiten, Beerdigungen und anderen Anlässen großer Freude oder großen Leides zubereitet wurde.
    Die Flüchtenden bemerkten dies. Was sie sagten, war über die Entfernung hinweg nicht zu verstehen, aber Wortfetzen drangen zur PARALA herüber, die deutlich machten, dass auch die Besatzungen der Piratenboote zutiefst beunruhigt waren. Während die meisten zunächst voller Panik weitergerudert waren, stellten sie dies nun komplett ein. Sie stierten nur fassungslos auf das Wasser. Viele schrien durcheinander und forderten die anderen mit wirren Gesten und ebenso wirrem Geschrei dazu auf, etwas zu tun.
    Irgendetwas.
    Es schien nicht darauf anzukommen, was genau das war.
    Panik breitete sich auf den Booten aus. Selbst die blutgierigen Domboy-Vögel drehten kreischend ab. Einer konnte plötzlich nicht mehr fliegen. Kreischend sank er tiefer und fiel in das blubbernde Wasser, wo er wie ein Suppenvogel gekocht wurde.
    Dämpfe stiegen auf. Bald war fast nichts mehr zu sehen – nichts außer einem geheimnisvollen Licht, das weiß wie Platin aus der Tiefe des Meeres kam. Wie eine unterseeische Sonne, die immer größer wurde. Auch rings um die PARALA begann das Wasser zu kochen. Aber das Phänomen war weitaus schwächer als dort, wo sich die Piratenboote befanden.
    »Ruder ausfahren!«, rief Kapitän Bedros.
    »Sie wissen, dass die

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