Die Kanonen von Navarone
Verschluß schwirrte. Mallory fühlte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten.
»Ein Spandau – schweres MG«, sagte er. »Wer das mal gehört hat, vergißt es nie. Nicht dahin zielen, es ist wahrscheinlich hinten auf einen der LKW montiert und kann uns hier nichts tun … Mehr Sorge machen mir die verdammten Mörser da unten.«
»Mir nicht«, gab Miller prompt zurück, »die feuern ja nicht auf uns.«
»Eben deshalb … Was hältst du davon, Andrea?«
»Dasselbe wie Sie, Hauptmann. Die warten ab. Dieser Teufelsspielplatz, wie Louki ihn nennt, ist wie ein Irrgarten, da könnten sie nur blindlings hineinfeuern –.«
»Viel länger werden sie aber nicht warten«, unterbrach Mallory ihn grimmig, indem er nach Norden zeigte. »Da kommen ihre Augen.«
Anfangs nur Pünktchen über dem Vorgebirge von Kap Demirci, waren die Maschinen schon sehr bald deutlich zu unterscheiden, als sie in sechshundert Meter Höhe in ruhigem Flug über die Ägäis herankamen. Mallory staunte, als er die Typen erkannte, und fragte Andrea: »Sehe ich denn Gespenster?« Er wies auf das vordere der beiden Flugzeuge, einem kleinen Eindecker mit hoch angesetzten Tragflächen. »Das kann doch nicht eine PZL sein?«
»Es ist sogar bestimmt eine«, murmelte Andrea. »Die alte polnische Maschine, die wir vor dem Krieg auch hatten«, erklärte er Miller. »Und die andere ist eine alte belgische, Breguet hieß sie bei uns.« Andrea beschattete seine Augen, um die Flugzeuge, die nun schon fast über ihnen waren, noch einmal zu betrachten. »Ich dachte, die wären alle bei der Invasion kaputtgegangen.«
»Dachte ich auch«, sagte Mallory. »Müssen welche aus Resten zusammengeflickt haben. Aha, jetzt haben sie uns gesichtet, sie fangen an zu kreisen! Aber, zum Donnerwetter, weshalb mögen sie mit diesen veralteten Luftsärgen –?«
»Ich weiß das nicht und es ist mir auch egal«, sagte Miller hastig. Er hatte soeben um den Felsen gespäht, der ihn deckte. »Die verdammten Kanonen da unten richten sich gerade auf uns ein, und mit der Mündung nach hier sehen sie beträchtlich wuchtiger aus als Telegrafenstangen! Sprenggranaten, sagten Sie doch. Kommen Sie, Boß, wollen schleunigst von hier verduften!«
So waren für den Rest des kurzen Novembernachmittags die Figuren gesetzt zum tödlichen Schachspiel und zum Lauf ums Leben in den Schluchten und versprengten Felsen des Teufelsplatzes. Den Schlüssel zu dem Spiel hielten die Flugzeuge, die, hoch über ihnen kreuzend, jede Bewegung der Verfolgten beobachteten und ihre Meldungen an die Geschütze auf der Küstenstraße und an die Kompanie vom Alpenkorps gaben, die durch die Schlucht oberhalb des Gehölzes vorzudringen begann, sobald die Flugzeuge meldeten, daß die Stellung dort aufgegeben war. Die zwei alten Maschinen wurden bald ersetzt durch moderne Heinkels – Andrea behauptete, die PZL könne sowieso nicht länger als eine Stunde in der Luft bleiben. Hoffentlich stimmte das.
Mallory befand sich zwischen Scylla und Charybdis. So ungenau die Mörser schossen, hatten doch mehrere der gefährlichen Sprenggranaten ihren Weg in die tiefen Felsspalten gefunden, wo sie kurz vorher noch in Deckung gegangen waren. In dem engen Raum zwischen den steilen Wänden hatten die streuenden Splitter vernichtende Gewalt. Manchmal lagen die Einschläge so nahe, daß Mallory mit seinen Männern in einer der tiefen Höhlen, von denen es in den Wänden der Schluchten viele gab, Zuflucht suchen mußte. In den Höhlen waren sie vor Treffern sicher, doch die Sicherheit war illusorisch, denn längeres Verweilen konnte zu ihrer Niederlage und in die Gefangenschaft führen, weil in den Feuerpausen der Artillerie die Alpenjäger, die sie während des Nachmittags in mehreren kurzen Rückzugsgefechten noch abgewehrt hatten, alsbald weit genug in die Schluchten vordringen konnten, um ihnen alle Auswege abzuschneiden. Immer wieder sahen Mallory und seine Männer sich gezwungen, weiterzuflüchten, um den Abstand zu ihren Verfolgern zu vergrößern. Sie folgten dem unverwüstlichen Louki, wohin er sie auch führen mochte, und riskierten immer wieder ihr Leben – so gering auch ihre Aussicht war, den Sprenggranaten der Mörser zu entgehen. In einer nach dem Innern der Insel führenden Schlucht bohrte sich knapp zwanzig Meter vor ihnen eine Granate in den Kiesgrund. So nahe war ihnen der Tod an diesem Nachmittag noch nicht gekommen, aber, was vielleicht einmal in tausend Fällen geschieht: die Granate detonierte
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