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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Sicher wollte er in einer so wilden Sturmnacht auf der bröckligen, tückischen Erdschicht nicht sein Leben riskieren oder, was noch wahrscheinlicher war, es nicht darauf ankommen lassen, daß ihn plötzlich einer an den Füßen packte und ihn hinabriß in die Schlucht, wo er, über hundert Meter tief, zerschmettert liegengeblieben wäre.
    Langsam, unerbittlich, näherte sich der Lichtstrahl. Sogar in diesem schrägen Winkel mußte er sie erfassen. In jähem Schrecken wurde Mallory klar, daß der Deutsche nicht nur Verdacht geschöpft hatte – nein: der Mann wußte, daß hier jemand war, und hörte bestimmt nicht auf, ehe er sie gefunden hatte. Und er war machtlos dagegen, vollkommen machtlos … Jetzt war Andreas Kopf wieder dicht bei ihm.
    »Einen Stein«, flüsterte Andrea. »Nach da rüber, hinter ihn.«
    Zuerst vorsichtig, dann ganz aufgeregt, tastete Mallory die Oberfläche mit der Rechten ab. Erde, bloß Erde, Graswurzeln und kleine Kiesel – keiner nur halb so groß wie eine Murmel. Da schob ihm Andrea etwas gegen die Seite, seine Hand schloß sich um das glatte Metall eines Steigeisens, und sogar jetzt, da es verzweifelt auf Eile ankam, weil der dünne Lichtstrahl schon so in ihrer Nähe tastete, war Mallory für einen Moment noch wütend auf sich, weil er selbst mehrere Steigeisen im Gürtel trug und an die nicht gedacht hatte.
    Sein Arm schwang zurück und fuhr ruckend nach vorn, die eiserne Klammer sauste ins Dunkel. Eine Sekunde verging und noch eine – also hatte er nicht getroffen? Der Lichtstrahl war ja schon ganz dicht an Andreas Schulter – da schlug das metallische Klingen, als das Eisen einen Felsblock traf, wie Jubelgeläut an sein Ohr. Einen Augenblick schwankte der Lichtstrahl, stach ziellos ins Dunkel, fuhr plötzlich herum und forschte zwischen den Felsblöcken links von ihnen. Und dann rannte der Posten dorthin, er stolperte und rutschte in seiner Hast, der Lauf seines Karabiners schimmerte, als er die Taschenlampe auf ihm festhielt. Noch keine zehn Meter war er gelaufen, als Andrea sich wie eine große schwarze Katze auf die Oberfläche der Klippe schwang und lautlos bis zum nächsten Felsblock tappte, hinter den er sich blitzschnell duckte, ein Schatten unter Schatten.
    Der Posten war jetzt etwa zwanzig Meter vom Kamin entfernt, der Strahl seiner Lampe sprang wie in Angst von einem Felsblock zum andern, da klopfte Andrea mit dem Griff seines Messers zweimal auf einen Stein. Jäh machte der Posten kehrt, ließ das Licht über die Felsblöcke in seiner Nähe gleiten und begann schwerfällig wieder zurückzulaufen, wobei der Saum seines Mantels grotesk im Wind flatterte. Die Taschenlampe schwankte jetzt wild hin und her, und Mallory sah flüchtig ein weißes, nervös gespanntes Gesicht mit großen, angstvollen Augen, das sehr schlecht zu dem martialischen Stahlhelm paßte, unter dem es hervorlugte.
    ›Nur Gott mag wissen, was der in seiner Verwirrung jetzt für furchtbare Visionen hat!‹ dachte Mallory. Geräusche auf der Klippe, metallisches Klingen zwischen den Felsen vor und hinter sich, die lange, unheimliche Nachtwache, allein und in ungewissen Ängsten, auf dem Rand einer einsamen Klippe in der Finsternis einer Sturmnacht, in feindlichem Land –. Mallory empfand auf einmal tiefes Mitleid mit dem Mann – es war doch ein Mensch wie er selbst, ein geliebter Gatte, Bruder, Sohn, der nur eine böse und gefährliche Aufgabe erfüllte, so ordentlich er vermochte und weil es ihm befohlen war – er hatte Mitleid mit ihm, weil der Mann so allein und so in Angst war, und weil er genau wußte, daß der nur noch ein paarmal atmen konnte, denn dann war er tot … Langsam, Zeit und Entfernung abschätzend, hob Mallory den Kopf. »Hilfe!« schrie er. »Hilfe, ich stürze ab!«
    Der Soldat hielt mitten im Schritt an und warf sich herum, weniger als zwei Meter von dem Felsblock, hinter dem Andrea lauerte. Einen Augenblick wedelte der Strahl seiner Lampe noch unsicher hin und her, dann richtete er sich auf Mallorys Kopf. Und noch einen Augenblick stand der Mann stockstill, dann hob er den Karabiner in der rechten Hand, während die Linke am Lauf entlangglitt. Er gab, krampfhaft und hart die Luft ausstoßend, einen Laut von sich, der wie ein Grunzen klang und, schon vernahm Mallory, sogar gegen den Wind, wie der Griff von Andreas Messer ihm dumpf gegen die Rippen prallte …
    Mallory starrte auf den Toten, blickte in Andreas unbewegtes Gesicht, als der sein Messer am Mantel des Soldaten

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