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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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schon aufrollte. Plötzlich hörte er, daß Andrea etwas rief. Mit zwei schnellen Schritten war er am Klippenrand und faßte den Griechen am Arm.
    »Was ist denn, Andrea? Weshalb ziehst du nicht mehr –?«
    Er sprach nicht zu Ende, als er im Dunkeln sah, daß Andrea das Seil nur zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Zweimal zog er es noch mit kurzen Rucken ein wenig höher, dann ließ er es wieder auslaufen: es schwankte heftig im Winde, denn es trug kein Gewicht.
    »Weg?« fragte Mallory ruhig.
    Andrea nickte nur stumm.
    »Gerissen?« Mallory konnte es nicht glauben. »Ein Seil mit Drahtkern?«
    »Ich glaube das auch nicht.« Rasch holte Andrea das etwa zwölf Meter lange Stück ein. Der Bindfaden hing noch daran, wo sie ihn befestigt hatten, ein ungefähr zwei Meter langes Stück. Das Seil selbst war unversehrt.
    »Einer hat einen Knoten gemacht, aber nicht gerade gut.« Nur für einen Moment klang die Stimme des Riesen müde.
    Mallory wollte sprechen, warf aber plötzlich instinktiv einen Arm hoch, da ein zackiger Flammenstrahl zwischen der Klippe und dem unsichtbaren Himmel durch die Luft fuhr. Sie hatten die empfindlich getroffenen Augen noch fest geschlossen und spürten in der Nase noch den scharfen schwefligen Brandgeruch, als der erste Donnerschlag mit titanischer Wut fast unmittelbar über ihren Köpfen erdröhnte, ein betäubender Kanonendonner, der ihre kläglichen Bemühungen zu verhöhnen schien, doppelt erschreckend, weil dem sengenden Blitzstrahl tiefste Dunkelheit gefolgt war. Allmählich verklang der Donnerschlag, durch die Täler rollend, in vielfachem Echo zwischen den Bergen.
    »Mein Gott!« murmelte Mallory. »Das war aber nahe! Wir müssen uns beeilen, Andrea – hier oben kann's jeden Augenblick so hell werden wie auf dem Jahrmarkt. Was hattest du zuletzt am Seil gehabt?« Er hätte danach nicht zu fragen brauchen, da er selbst ihre Ausrüstung, bevor er hochkletterte, in drei Lasten eingeteilt hatte. Auch hatte er nicht gefragt, weil er etwa an eine Täuschung seines erschöpften Gehirns glaubte. Nein, er war jetzt zu übermüdet, um nachzudenken, was ihn zwang, in einer doch vergeblichen Hoffnung nach dem nicht vorhandenen Strohhalm zu greifen.
    »Die Lebensmittel«, sagte Andrea sanft, »alle Lebensmittel, den Kocher und – die Kompasse.«
    Eine ganze Weile stand Mallory wie versteinert da. Obwohl sein Verstand ihm erbarmungslos vorhielt, wie sehr jetzt Eile geboten war, schien sein Denken gelähmt, alle Entschlußkraft erstorben. Kalt und stumpf fühlte er sich, nicht durch den peitschenden Wind und den mit Hagel gemischten Regen, sondern weil vor seinem inneren Auge ein Bild aufzog: wie sie in trostloser Öde ohne Nahrung und ein wärmendes Feuer auf dieser rauhen, feindseligen Insel umherirrten … Aber sogleich legte Andrea ihm, leise lachend, seine große Hand auf die Schulter und sagte: »Desto weniger zu schleppen, Keith. Was meinst du, wie dankbar unser schlapper Freund Korporal Miller dafür sein wird … Das ist doch nur ein kleines Malheur.«
    »Ja«, erwiderte Mallory. »Ja, natürlich, nur ein kleines Malheur.« Er wandte sich jäh ab, gab kurz das Zeichen durch Ziehen an dem Bindfaden und ließ das Seil wieder über die Kante ablaufen.
    Eine Viertelstunde später kam, bei wolkenbruchartigem Regen, der beinah pausenlos, durchleuchtet von den vielgegabelten, zackigen Blitzen, wie eine Wand niederrauschte, über der Klippenkante Casey Browns triefender Kopf in Sicht. Und der Donner, sonderbar hohlklingend in dem gleichsam beengten Detonationsraum mitten im Gewittermassiv, dröhnte fast ununterbrochen, doch in kurzen Zwischenpausen war Caseys Stimme, im Dialekt seiner schottischen Heimat, deutlich zu vernehmen. Er drückte sich ganz unzweideutig aus, und hatte Grund dazu. Beim Hinaufklettern hatte er zwei Seile zur Verfügung gehabt; das bis oben an den Steigeisen befestigte und das vorher zum Aufhieven des Materials benutzte, an dem ihn Andrea hinaufzog. Das Ende dieses Seils hatte Brown sich mit einem sogenannten Pahlstek um die Hüften gebunden, der ihm aber in der Eile mißlungen und zu einem »Weiberknoten« geworden war, sich also fest zuzog, so daß Andrea, der mit Kraft und Eifer pullte, ihm mit der Schlinge fast den Körper durchgesäbelt hätte. Jetzt saß er oben, trug den Funkapparat noch auf den Rücken geschnallt und ließ ermattet den Kopf zwischen die Knie hängen, als zwei Rucke am Seil Andrea meldeten, daß jetzt Dusty Miller an der Reihe war.
    Wieder

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