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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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allein von diesem gefährlichen Aufstieg kam. Gewiß war die Klippe steil, beinah senkrecht, und der Blitz, der eiskalte Regen, die Finsternis und der brüllende Donner waren Schrecken genug. Das Erklimmen war jetzt, an dem bis oben festgemachten Seil, an sich leicht: er brauchte nur schrittweise zu steigen und dabei die Eisen unter seinem Standplatz herauszuziehen und fortzuwerfen. Elend, zerschunden und furchtbar erschöpft, hatte er viel Blut verloren und litt an gräßlichen Kopfschmerzen, doch oft setzen sich gerade in Schmerzen und Erschöpfung Geist und Wille des Menschen triumphierend durch.
    Andy Stevens fürchtete sich, weil er seine Selbstachtung verloren hatte. Die war bisher stets sein Notanker gewesen, hatte sich gegen seinen alten Feind behauptet – die Achtung, die er bei seinen Mitmenschen genoß, und der Stolz auf sich selbst. Nun aber waren beide dahin, denn seine beiden größten Ängste waren Wirklichkeit geworden: die andern wußten, daß er Furcht hatte, und er war eine Enttäuschung für sie geworden. Bei dem Kampf gegen die Deutschen auf der Kajike, und als sie im Fluß unter dem Wachtturm ankerten, beide Male hatte er gewußt, daß Mallory und Andrea ihm die Furcht anmerkten. Er war noch nie mit Männern ihres Schlages zusammengewesen und hatte von Anfang an gewußt, daß er vor denen kein Geheimnis verbergen konnte. Eigentlich hätte er gleich hinter Mallory auf die Klippe klettern sollen, doch Mallory hatte Ausflüchte gemacht und statt seiner Andrea mitgenommen. Also wußte Mallory, daß er Angst gehabt hatte. Und zweimal vorher schon, in Castelrosso und als das deutsche Boot auf sie zukam, hatte er beinah vor seinen Kameraden versagt – und heute nacht sie sogar im Stich gelassen. Nein, er war nicht geeignet gewesen, mit Mallory vorweg zu gehen – und ausgerechnet er, der Seemann unter ihnen, hatte den letzten Knoten, der zu machen war, so verkorkst, daß ihr ganzer Vorrat an Nahrungsmitteln und Brennstoff ins Meer gestürzt war, kaum drei Meter von seinem Platz auf dem Vorsprung. Und tausend Männer auf Kheros hingen von ihm ab, einem so jämmerlich untauglichen Kerl … Innerlich krank und ausgelaugt, geistig, körperlich und seelisch leer, laut stöhnend in dem ständigen qualvollen Wechsel von Furcht und Selbstverachtung, kletterte Andy Stevens blindlings weiter.
    In schrillem, hohem Ton stach das Klingeln an der Telefonleitung durch die Dunkelheit auf der Klippe. Mallory erschrak und drehte sich, unwillkürlich die Fäuste ballend, halb um. Noch einmal schrillte das Telefon, mißtönig und nervenreizend drang es klar durch das tiefe Grummeln des Donners. Es verstummte, fing aber gleich zum drittenmal an und klingelte nun andauernd, hart und hartnäckig Antwort fordernd.
    Mallory war schon halb hingelaufen, als er jäh innehielt, langsam kehrtmachte und zu Andrea zurückging, der ihn gespannt fragte: »Doch lieber anders, ja?«
    Mallory nickte ohne Worte.
    »Die werden weiterklingeln, bis sie Antwort kriegen«, murmelte Andrea, »und wenn sie keine kriegen, werden sie kommen, und zwar bald und schnell.«
    »Ich weiß, ich weiß«, gab Mallory achselzuckend zurück. »Mit dieser Möglichkeit – vielmehr Gewißheit – müssen wir rechnen. Die Frage ist, wie lange es dauern kann, bis einer kommt.« Instinktiv blickte er an der vom Sturm umbrausten Klippe nach beiden Seiten entlang. Er hatte Miller und Brown rechts und links, etwa fünfzig Meter von dem Kamin, als Horchposten aufgestellt. Zu sehen waren sie in der Finsternis nicht. »Nein, das Risiko will ich nicht übernehmen. Je mehr ich darüber nachdenke, um so weniger Chancen sehe ich, damit durchzukommen. In solchen Dienstangelegenheiten sind die Deutschen meistens von unbeirrbarer Gründlichkeit. Wahrscheinlich muß der Telefonanruf in ganz bestimmter Weise beantwortet werden oder der Posten muß seinen Namen nennen, oder eine Tagesparole – und vielleicht würde mich auch meine Stimme verraten. Andererseits ist der Posten spurlos verschwunden, unsere ganze Ausrüstung haben wir oben und alle sind hier, außer Stevens. Mit andern Worten: Wir haben es beinah geschafft. Sind gelandet – und keiner weiß, daß wir hier sind.«
    »Ja.« Andrea nickte langsam. »Ja, du hast recht – und Stevens müßte in zwei bis drei Minuten oben sein. Es wäre eine Dummheit, unseren ganzen Vorteil aufs Spiel zu setzen.« Er machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Aber kommen werden sie, im Trab.« Das Telefongeklingel verstummte so

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