Die Kanonen von Navarone
»Sie vergessen wohl, daß unser Brown kein Wort Deutsch sprechen oder verstehen kann?«
Miller rieb zärtlich seinen mißhandelten Arm und schüttelte langsam den Kopf. »Ich und meine große Klappe«, sagte er reumütig. »›Miller der Vorwitzige‹ nennen sie mich, weil ich immer außer der Reihe rede. Bitte allseits um Entschuldigung. Und was steht als nächstes auf dem Tapet, meine Herren?«
»Wir sollen uns sofort zwischen die Felsen begeben und da rechts den Hang hinaufsteigen, wünscht der Hauptmann.« Brown wies mit dem Daumen auf die undeutliche dunkle Masse, die hinter ihnen aufragte. »In ungefähr einer Viertelstunde will er nachkommen.« Er lächelte Miller schwach zu. »Und wir sollen diesen Kasten hierlassen und einen Rucksack, in dem er ihn tragen kann.«
»Oh, verschont mich, ich komme mir sowieso schon ganz klein vor«, sagte Miller bittend, betrachtete Stevens, der still unter dem vor Nässe dunkel glänzenden Ölmantel lag, und sah dann Andrea ins Gesicht. »Ich fürchte, Andrea, ich –«
»Aber klar, selbstverständlich!« Andrea bückte sich rasch, wickelte das Ölzeug um den Bewußtlosen und richtete sich auf, so mühelos, als hätte er nur einen leeren Mantel in den Armen.
»Ich werde vorangehen«, erbot sich Miller, »vielleicht kann ich für euch und Stevens einen bequemen Weg ausfindig machen.« Er nahm den Generator und die Rucksäcke auf die Schulter und taumelte unter dem plötzlichen Gewicht. Daß er so geschwächt war, hätte er nicht gedacht. »Zu Anfang, meine ich«, setzte er hinzu. »Später werden Sie wohl uns beide tragen müssen.«
Mallory hatte sich in der Zeit, die er benötigte, um die andern wieder einzuholen, schwer verschätzt. Über eine Stunde war schon um, seitdem Brown ihn verlassen hatte, und noch entdeckte er keine Spur von seinen Kameraden. Und mit über dreißig Kilo auf dem Rücken kam er auch nicht gerade schnell vorwärts.
Aber seine Schuld allein war das nicht. Die zurückgekehrte deutsche Patrouille hatte, nach dem ersten Schrecken über die leere Felsspalte, das Gelände auf der Klippe wieder systematisch und quälend langsam abgesucht. Mallory hatte gespannt gewartet, ob einer vorschlagen würde, in den Kamin hinabzuklettern und unten weiterzusuchen – dann hätten die Löcher von den Steigeisen todsicher alles verraten – doch einer hatte das auch nur angedeutet. Da der Posten offensichtlich zu Tode gestürzt war, hielten sie das wohl für unnötige Mühe. Nach erfolgloser Suche hatten sie unglaublich lange über ihre nächsten Maßnahmen debattiert und schließlich nichts weiter unternommen. Ein Posten blieb als Ersatzmann zurück, während die übrigen sich nach dem auf der Klippe entlangführenden Weg entfernten und das ganze Rettungsgerät wieder mitnahmen.
Mallorys drei Mann waren erstaunlich schnell vorwärtsgekommen, selbst in Anbetracht der Tatsache, daß sie es jetzt wesentlich leichter hatten, denn etwa fünfzig Meter hinter der Masse großer Felsblöcke am Fuß des Berghangs begann ein vom Regen ziemlich glattgespültes Gelände mit nur wenig Geröll. War er schon an ihnen vorbei? Das konnte eigentlich nicht sein, denn zwischen den böigen Schauern des Schlackerschnees – der jetzt auch Hagelkörner brachte – konnte er den kahlen Hang ganz gut überblicken, und da regte sich nichts. Auch wußte er, daß Andrea erst haltmachen würde, wenn er einen wenigstens halbwegs geschützten Winkel für Stevens fand, und bislang hatte Mallory auf diesem vom Wind überbrausten Abhang noch nichts entdeckt, was den geringsten Schutz bieten konnte.
Und schließlich stieß er buchstäblich auf beides: seine Leute und den geschützten Platz. Soeben hatte er den scharfen Rücken eines schmalen, quer zum Hang verlaufenden Grats überschritten, als er unter sich gedämpfte Stimmen hörte und hinter dem Segeltuch, das von der höher gelegenen Seite, dicht neben ihm, über eine winzige Schlucht gesteckt war, ein kleines Licht sah.
Miller warf sich heftig erschrocken herum, als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte, und hatte den Revolver schon halb aus der Tasche, ehe er erkannte, wer es war. Da lehnte er sich schwerfällig gegen die Felswand.
»Nanu, Sie schießfreudiger Herr!« sagte Mallory, ließ die Last von seiner schmerzenden Schulter gleiten und blickte den leise lachenden Andrea an. »Was ist denn an mir so komisch?«
»Unser Freund Miller.« Andrea lächelte wieder. »Ich hatte ihm gesagt, dich würde er erst bemerken, wenn du ihn
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