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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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bis vier Stunden wird es hell«, murmelte Mallory.
    »In vier Stunden werden die Deutschen wissen, daß wir auf der Insel sind. Sobald es dämmert, werden sie ihn entdeckt haben und ein Boot zur Untersuchung hinschicken.«
    »Ist das denn so wichtig, Sir?« wandte Stevens ein. »Er kann doch sowieso dahin gefallen sein.«
    Mallory schob das Verdeck beiseite und spähte in die Nacht. Es war sehr kalt und schneite noch immer. Er ließ die Plane wieder los. »Fünf Minuten«, sagte er wie geistesabwesend. »Wir brechen in fünf Minuten auf.« Matt lächelnd blickte er Stevens an. »Auch wir sind vergeßlich gewesen, hätten es Ihnen sagen müssen: Andrea hatte den Posten durchs Herz gestochen.«
    Die folgenden Stunden wurden zur finsteren Höllenqual, endlose Stunden, in denen sie abstumpften vom fortwährenden Stolpern, Fallen und Wiederaufstehen, einer Tortur für ihre Körper und Muskeln. Stunden, in denen ihnen immer wieder ihre Last vom Rücken rutschte und sie im höher werdenden Schnee wild danach tasten mußten, gepeinigt von Hunger und Durst, durch und durch ermattet. Sie hatten nun den Weg hinter sich, auf dem sie gekommen waren und gingen in nordwestlicher Richtung über den Berghang – während die Deutschen sehr wahrscheinlich vermuteten, daß sie sich genau nach Norden gewandt hatten, zum Mittelpunkt der Insel. Ohne Kompaß, ohne Sterne oder Mond als Richtungsweiser konnte Mallory sich nur nach dem Gefühl, nach der Neigung und Form des Berghangs und, aus dem Gedächtnis, nach der Karte orientieren, die Vlachos ihnen in Alexandria gezeigt hatte. Allmählich aber war er einigermaßen sicher, daß sie den Berg umrundet hatten und in der engen Schlucht, in der sie jetzt gingen, dem Innern der Insel näherkamen.
    Todfeind war jetzt der Schnee. In dicken, federigen, halb getauten Flocken umwirbelte er sie als alles verhüllender grauer Vorhang, rieselte in ihre Kragen und Stiefel, fand heimtückische Wege unter ihre Kleidung, in ihre Ärmel, füllte ihnen die Augen, Ohren und Mund, stach in ihre ungeschützten Gesichter, bis sie gefühllos wurden, und verwandelte ihre nackten Hände in bleischwere eisige Klumpen, die jede Kraft zu verlieren schienen. Alle hatten zu leiden, schwer zu leiden, doch am schlimmsten litt Stevens. Er war schon wenige Minuten nach dem Aufbruch von der Höhle wieder ohnmächtig geworden, so daß ihm nun, in dem nassen, am Körper klebenden Zeug auch die rettende Wärme der Blutzirkulation fehlte. Zweimal war Andrea stehengeblieben und hatte nachgefühlt, ob sein Herz noch schlug, denn er hielt ihn schon für tot. Er konnte jedoch nichts spüren, weil seine Hände vor Kälte gefühllos waren, und konnte nur weiterstolpern, ohne zu wissen, ob Stevens noch lebte.
    Gegen fünf Uhr früh, als sie ein steiles Tal oberhalb der Schlucht emporstiegen, wo der Boden trügerisch glatt war und, wenn sie ausrutschten, nur vereinzelte kümmerliche Johannisbrotbäume etwas Halt bieten konnten, befahl Mallory ihnen, sich anzuseilen, um besser zusammenzubleiben. So kämpften sie sich, hintereinander gehend, in den nächsten zwanzig Minuten mühselig den immer steiler werdenden Abhang hinauf. Mallory, der vorausging, wagte gar nicht daran zu denken, wie schwer es Andrea mit seiner Last hinter ihm hatte. Plötzlich hörte die Steigung auf, sie kamen auf ganz ebenen Boden, und ehe sie es recht merkten, hatten sie die hohe Wasserscheide überschritten und stolperten rutschend, noch angeseilt, im dichten Schneegestöber, ohne jede Sicht, ins Tal auf der anderen Seite hinab.
    In der Morgendämmerung erreichten sie die Höhle, gerade als das erste Grau eines trostlos öden Tages blaß durch den tiefhängenden, schneeschwangeren Himmel im Osten drang. Monsieur Vlachos hatte ihnen erklärt, daß das Gebiet südlich des Ortes Navarone so viele Höhlen habe wie eine Bienenwabe, doch diese war die erste, die sie sahen, und es war auch eigentlich keine Höhle, sondern ein dunkler, enger Tunnel in einer großen Anhäufung vulkanischen Gesteins, riesiger Schichten von verdrehten Felsen, die, gefährlich hängend, wie vor dem Absturz in einer trockenen Gießbachrinne lagen, die in Windungen steil abwärts führte in ein breites, unbekanntes Tal, dreihundert oder sechshundert Meter unter ihnen, ein noch von den Schatten der Nacht verhülltes Tal.
    Es war keine Höhle, aber ihnen war es genug. Für die halb erfrorenen, ausgepumpten, todmüden Männer war es mehr als sie zu hoffen gewagt hatten. Platz war da für sie

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