Die Kanonen von Navarone
hinweggetreten waren, ließ sich für seine Maschinenpistole eine einfache reichen, ging in die Knie und schob sich langsam, Pistole in der einen, Lampe in der anderen Hand, gut unterhalb der Schußlinie der beiden Soldaten, die ihm ohne Befehl auf den Fersen folgten, zu Stevens vor. Seine eiskalte militärische Methodik machte Mallory das Herz schwer. Alles schien so hoffnungslos –.
Ruckartig stieß der Offizier die Hand mit der Pistole nach vorn und riß Stevens die Decke vom Körper, den plötzlich ein Zittern durchlief, während der Kopf hin und her pendelte und er in den Tiefen seiner Ohnmacht qualvoll stöhnte. Der Deutsche neigte sich rasch über ihn, wobei die harten klaren Linien seines eigenen Gesichts und das blonde Haar unter der Schneehaube im Licht der Stablampe erkennbar wurden. Ein schneller Blick in das schmerzverzerrte, ausgehöhlte Gesicht und auf das zerschmetterte Bein, ein kurzes Naserümpfen, als er den fauligen Geruch des Wundbrands wahrnahm – und schon lehnte der Offizier sich auf die Hacken zurück und zog sanft die Decke wieder über den Verwundeten.
»Sie haben die Wahrheit gesprochen«, sagte er leise. »Wir sind keine Barbaren, und ich führe keinen Kampf gegen Sterbende. Lassen Sie ihn hier.« Er erhob sich und ging langsam rückwärts. »Die übrigen hinaus jetzt.«
Mallory sah, daß es nicht mehr schneite und am klar werdenden Himmel vereinzelt die Sterne blinkten. Auch war der Wind abgeflaut und die Luft entschieden wärmer. ›Der Schnee wird bis Mittag größtenteils geschmolzen sein‹, dachte er.
Gleichgültig und ohne Neugier zu zeigen, blickte er rundum. Von Casey Brown war nichts zu entdecken. Sogleich faßte er wieder neue Hoffnung. Feldwebel Brown war für dieses Unternehmen von höchster Stelle empfohlen worden. Von seiner Tapferkeit zeugten zwei Reihen Ordensschnallen, die er allerdings nie trug. Im Partisanenkrieg war er gefürchtet gewesen und – jetzt hatte er eine Maschinenpistole. Falls er noch irgendwo hier draußen war …
Fast als ahnte er Mallorys Hoffnungen, zerschlug der Deutsche sie mit wenigen Worten. »Sie wundern sich vielleicht, wo Ihr Wachtposten steckt?« fragte er höhnisch. »Keine Angst, Englishman, der ist nicht weit von hier und schläft auf Posten. Schläft sehr fest, befürchte ich.«
»Also haben Sie ihn umgebracht?« Mallory preßte seine Hände zusammen, bis sie schmerzten.
Grenzenlos gleichgültig zuckte der andere die Achseln. »Könnte ich Ihnen wirklich nicht sagen. Es war kinderleicht. Einer meiner Leute legte sich dort in die Vertiefung und stöhnte. Meisterhaft hat er's gemacht, man konnte Mitleid haben, so echt wirkte es. Und Ihr Mann in seiner Dummheit ging nachsehen. Ich hatte aber auch oben, hinter dem Rand, einen postiert, der den Karabiner umgekehrt in den Fäusten hielt. Eine sehr wirkungsvolle Keule, versichere ich Ihnen …«
Langsam lockerte Mallory seine Hände wieder. Bedrückt ließ er den Blick durch die Schlucht wandern. Klar, daß Brown auf den Leim gegangen war. Und ganz logisch, daß er nachforschte, schon weil er sich nicht lächerlich machen wollte, indem er zum zweitenmal blinden Alarm schlug. Und nun fiel Mallory auch ein, daß Brown beim erstenmal tatsächlich etwas gehört haben konnte, aber diesen Gedanken ließ er gleich wieder fallen. Panayis sah ihm nicht aus, als irrte er sich, wenn es aufs Horchen ankam, und Andrea irrte sich nie bei Geräuschen.
Er wandte sich wieder an den Offizier. »Wohin gehen wir von hier?«
»Nach Margaritha, und zwar schleunigst. Aber alles nach der Reihe.« Der Deutsche, genauso groß wie er, stand breit vor ihm aufgepflanzt, die Pistole in Hüfthöhe angelegt, die ausgeknipste Lampe lose in der rechten Hand. »Nur eine Kleinigkeit, Englishman: Wo sind die Sprengstoffe?«
»Sprengstoffe?« Mallory furchte verblüfft die Stirn. »Was für Sprengstoffe denn?« fragte er verständnislos, und schon stürzte er taumelnd zu Boden, da die schwere Stablampe, in einem Halbkreis jäh herumgeschwungen, ihn auf den Kinnbacken getroffen hatte. Benommen schüttelte er den Kopf und rappelte sich wieder hoch.
»Die Sprengstoffe.« Die Lampe pendelte wieder in der Hand des Deutschen, seine Stimme war jetzt seidenweich. »Ich fragte, wo die Sprengstoffe sind.«
»Weiß gar nicht, wovon Sie reden.« Mallory spie einen ausgeschlagenen Zahn aus und wischte sich Blut von den geplatzten Lippen. »Behandeln die Deutschen so ihre Gefangenen?« fragte er verächtlich.
»Maul
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