Die Kanonen von Navarone
gewesen.
»Das Torpedoboot hat sie irgendwo auf einer Insel nördlich von Rhodos abgesetzt, ich weiß nicht, auf welcher. Dort haben sie eine Kajike gestohlen, sind damit durch türkische Gewässer gesegelt, wobei sie einem deutschen Patrouillenboot begegneten, das sie – versenkt haben.« Andrea machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Ich war zu der Zeit knapp eine Meile von ihnen entfernt, in meinem Fischerboot.«
Turzig beugte sich vor.
»Wie haben sie denn das fertiggebracht, so ein starkes Boot zu versenken?« Merkwürdig: er bezweifelte gar nicht, daß es ihnen gelungen war!
»Sie taten so, als wären sie harmlose Fischer, wie ich. Mich hatten die vom Patrouillenboot kurz vorher angehalten und bei mir alles in Ordnung gefunden«, erklärte Andrea tugendsam. »Na, jedenfalls ging das Boot dann bei ihrem längsseits. Ganz dicht heran. Plötzlich wurde auf beiden Seiten geschossen, zwei Kästen flogen durch die Luft – auf Ihrem deutschen Boot in den Maschinenraum, glaube ich. Und puff!« Andrea warf mit dramatischer Geste die Hände hoch. »Und damit war es aus!«
»Wir überlegten uns schon …«, sagte Turzig leise. »Aber gut, weiter erst.«
»Was überlegten Sie denn, Herr Oberleutnant?« Doch Turzig zog drohend die Brauen zusammen, deshalb sprach Andrea schnell weiter. »Denen ihr Dolmetscher wurde bei dem Kampf getötet. Durch einen Trick brachten sie mich dazu, Englisch zu sprechen – ich habe viele Jahre auf Zypern gewohnt –, schnappten mich einfach und sagten, mein Boot könnten ja meine Söhne –.«
»Wozu brauchten die denn einen Dolmetscher?« unterbrach ihn Turzig mißtrauisch. »Es gibt doch viele britische Offiziere, die Griechisch können.«
»Dazu komme ich noch«, sagte Andrea ungeduldig. »Wie soll ich denn zu Ende berichten, wenn Sie mich dauernd unterbrechen? Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Sie zwangen mich also, mitzufahren, und nachher versagte ihr Motor. Was da passiert war, weiß ich nicht, denn mich hielten sie unten im Laderaum. Ich glaube, wir lagen dann irgendwo in einem Fluß, wo sie die Maschine reparierten, und ehe wir weitersegelten, veranstalteten sie eine mächtige Sauferei – man sollt's nicht glauben, Herr Oberleutnant, daß Menschen, die so etwas Gefährliches vorhaben, auch noch saufen!«
»Im Gegenteil, ich glaube Ihnen das«, sagte Turzig, langsam nickend, als verständen sie sich insgeheim sehr gut. »Ich glaube Ihnen tatsächlich.«
»Wirklich?« Andrea brachte es fertig, enttäuscht auszusehen. »Na, wir gerieten in einen furchtbaren Sturm, das Boot zerschellte an der Südklippe, und wir kletterten –«
»Halt!« Oberleutnant Turzig hatte sich schroff aufgerichtet, seine Augen blitzten mißtrauisch. »Beinah hätte ich Ihnen geglaubt! Und zwar, weil wir mehr wissen als Sie denken. Und bisher haben Sie auch die Wahrheit gesagt. Aber jetzt nicht mehr. Sie sind schlau, Dicker, doch nicht so schlau wie Sie glauben. Eins haben Sie nämlich vergessen, oder wissen es vielleicht nicht: Wir sind vom Württembergischen Gebirgsbataillon – und wir verstehen uns auf Berge, wohl am besten von allen Truppen auf der Welt. Ich selbst bin zwar Preuße, aber ich habe in den Alpen und in Transsylvanien jeden Berg erstiegen, der etwas verlangt – und ich erkläre Ihnen, daß die Südklippe keiner bezwingen kann. Das ist unmöglich.«
»Unmöglich vielleicht für Sie.« Andrea schüttelte betrübt den Kopf. »Diese verfluchten Alliierten werden euch schließlich noch besiegen. Die sind gerissen, Herr Oberleutnant, verdammt gerissen.«
»Erklären Sie das näher«, befahl Turzig brüsk.
»Also folgendermaßen. Sie wußten, daß man allgemein dachte, die Südklippe sei unersteigbar. Gerade deshalb nahmen sie sich vor, sie zu ersteigen. Nicht im Traum würde man denken, daß einer das schaffen könnte, daß sogar ein ganzer Trupp von da aus auf Navarone landen könnte. Aber die Alliierten wagten einen hohen Einsatz und fanden auch einen Mann als Führer dieser Expedition. Er konnte nicht Griechisch – Nebensache, Hauptsache, er konnte klettern – und da haben sie sich den kühnsten Bergsteiger der Welt ausgesucht.« Wieder machte Andrea eine Wirkungspause, indem er theatralisch den Arm ausstreckte. »Und das hier ist der Mann, den sie ausgesucht haben, Herr Oberleutnant! Sie sind selbst Bergsteiger, Sie müssen ihn kennen. Er heißt Mallory – Keith Mallory aus Neuseeland!«
Ein scharfer Ausruf, das Klicken eines Schalthebels, schon
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