Die Kanonen von Navarone
Soldat, der sich schwach wehrte, unter dem vereinten Gewicht von Miller und Brown zu Boden stürzte, während Andrea die Maschinenpistole des Postens, der rechts neben ihm gestanden hatte, an sich riß, und, sie in seinen großen Fäusten auf Skodas Brust richtete, noch bevor der bewußtlose Soldat ganz zu Boden gesunken war und sich nicht mehr rührte.
Für eine oder zwei Sekunden hörte jede Bewegung im Raum auf, alle Geräusche verstummten wie mit einem Messer abgeschnitten, und diese jähe, vollkommene Stille wirkte unendlich viel eindringlicher als der Lärm, der eben zu Ende war. Keiner bewegte sich, keiner sprach, sie vergaßen sogar zu atmen, denn der Schrecken über das völlig unvorhergesehene Geschehen hielt sie alle in Bann.
Und dann wurde die Stille durch ein donnerndes Stakkato zerfetzt, das in der Enge des Raumes die Ohren betäubte: einmal, zweimal, dreimal, ohne ein Wort und mit aller Sorgfalt, schoß Andrea den Hauptmann Skoda durchs Herz. Die Wucht der Geschosse hob den kleinen Mann von den Füßen und schleuderte ihn gegen die Wand, wo er, unfaßlich, für eine Sekunde mit weit ausgestreckten Armen stand, wie ans Kreuz genagelt auf den rohen Brettern, ehe er zusammenbrach, schlaff niedersank, eine groteske, zerbrochene Puppe, deren Kopf unachtsam gegen die Kante der Bank schlug, um dann, das Gesicht nach oben, auf dem Fußboden liegenzubleiben. Die Augen waren noch weit offen, im Tode ebenso kalt, so dunkel und leer wie sie im Leben gewesen waren.
Andrea hob, während er die Maschinenpistole in einem Halbkreis schwenkte, der Turzig und den Feldwebel einschloß, Skodas Dolchmesser auf und durchschnitt die Fesseln an Mallorys Handgelenken. »Können Sie diese Waffe halten, Hauptmann?« fragte er ihn.
Mallory streckte ein paarmal seine steif gewordenen Hände, nickte und übernahm schweigend die MP. Mit drei Schritten war Andrea hinter der Tür, die zum Vorraum führte, drückte sich dicht an die Wand und gab Mallory einen Wink, sich so weit wie möglich außer Sicht von der Tür zu halten. Die wurde plötzlich aufgestoßen. Andrea konnte von seinem Platz gerade ein Stück des in den Raum ragenden Gewehrlaufes sehen.
»Herr Oberleutnant, was ist los? Wer schoß …?« Die Stimme des Soldaten brach in ein hartes Ächzen um, als Andrea mit der Stiefelsohle gegen die Tür trat. Im Nu war er um die Türkante herumgesprungen, ergriff den Deutschen noch im Fallen, zog ihn aus dem Türrahmen und spähte in den Anbau. Ein kurzer Blick genügte: er schloß die Tür und verriegelte sie von innen. »Niemand weiter da, Hauptmann«, meldete er Mallory. »War anscheinend bloß dieser eine Gefängniswärter.«
»Fein! Schneide bitte die andern los, Andrea.« Er drehte sich rasch nach Louki um und mußte gleich lächeln, ein so komisches Gesicht zog der kleine Mann, als aus der starren Miene, die noch nicht ganz begriff, sein breites Grinsen wuchs, das von einem Ohr bis zum andern reichte.
»Wo schlafen die Leute, Louki? Die Soldaten, meine ich.«
»In einer Baracke mitten auf dem Hof, Herr Major. Dies ist das Offiziersquartier.«
»Hof? Sie meinen wohl –?«
»Stacheldraht«, sagte Louki kurz. »Drei Meter hoch, ringsum.«
»Ausgänge?«
»Nur einer. Zwei Posten.«
»Gut. Andrea, alle in den Nebenraum. Nein, Sie nicht, Oberleutnant, Sie nehmen hier Platz.« Er deutete auf den Sessel hinter dem großen Tisch. »Es muß ja jemand kommen. Sagen Sie dem, Sie hätten einen von uns erschossen, der flüchten wollte. Dann lassen Sie die Wachtposten vom Tor herkommen.«
Einen Augenblick erwiderte Turzig nichts. Er beobachtete leeren Blicks, wie Andrea an ihm vorbeiging und die zwei bewußtlosen Soldaten am Kragen nachschleppte. Dann lächelte er, ein ziemlich schiefes Lächeln.
»Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Captain Mallory. Zuviel ist schon durch meine blinde Dummheit verlorengegangen. Ich werde das nicht tun.«
»Andrea!« rief Mallory gedämpft.
»Ja?« Andrea stand in der Tür vom Vorraum.
»Ich glaube, ich höre jemand kommen. Hat der Nebenraum einen Ausgang?« Andrea nickte stumm.
»Draußen. An der Vordertür. Nimm dein Messer. Falls der Oberleutnant …« Aber er sprach für sich allein, Andrea war schon gegangen, lautlos wie ein Geist aus der Hintertür geglitten.
»Sie werden genau das tun, was ich anordne«, sagte Mallory leise. Er stellte sich so an die Tür zum Anbau, daß er durch die Vordertür, durch den Spalt am Pfosten, hinausblicken konnte. Seine Maschinenpistole war
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