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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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treffen. Um einmal offen reden zu können.«
    »Man weiss nie so genau, mit wem man offen reden kann«, sagte er und musterte Rotkehlchen mit einem Blick, in dem Silikon-Susi ein so rasendes Verlangen sah, dass sie wusste: Sein Gehirn war jetzt schon vernebelt. Und Rotkehlchen würde ihn problemlos zum Plaudern bringen.
    »Ich bin vielleicht sensibel«, fuhr er fort, »aber nicht dumm. Die Gruppe ist stärker.«
    »Stärker als was, Mozart?«
    »Als ich, als du, als wir.«
    »Wir müssen nicht gegen die Gruppe kämpfen, Mozart, aber das Leben ist schön. Ich lebe gern. Und du?«
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen, Rotkehlchen«, sagte Mozart, »fast immer habe ich ein schlechtes Gewissen. Und dieses schlechte Gewissen ist da, egal ob ich etwas tue oder nicht tue, weil ich nie genau weiss, ob das, was ich tue, richtig ist oder ob es richtig ist, nichts zu tun.«
    »Was möchtest du denn jetzt tun?«
    »Tanzen«, sagte er spontan und ging mit Rotkehlchen zur Tanzfläche.
    Wie ungeschickt er sich bewegt, dachte Silikon-Susi: flaumig und pflaumig und trotzdem irgendwie geschmeidig. Und in ständigem Blickkontakt mit Rotkehlchen, die ihre Arme zart um seine dicklichen Hüften gelegt hatte. Nach zehn Minuten war sein Hemd durchgeschwitzt, und Rotkehlchen flüsterte ihm etwas ins Ohr. Die beiden kamen zurück an die Bar.
    »Es ist, als ob ich dich schon ein Leben lang kennen würde«, sagte Rotkehlchen. »Ich weiss nicht, warum, aber irgendwie habe ich totales Vertrauen zu dir.«
    Mozart schwieg, aber es war, als ob er dünner würde, mit jedem Satz dünner und schöner.
    »Mozart, sag mir, was ich tun soll. Ich weiss nicht, ob ich bei Cookie aussteigen soll. Das ist mir alles zu heftig. Es hat alles so spielerisch, ja fast verträumt angefangen. Aber jetzt …«
    »Kann man bei Cookie überhaupt aussteigen?«, fragte Mozart.
    »Aber klar, Mozart, du hast dich doch vom manchmal bedrohlichen Ton in den Gesprächen nicht einschüchtern lassen? Was machst du so, beruflich?«
    »Ich bin Beamter. Ich schreibe.«
    »Romane? Bist du ein Dichter, Mozart?«
    »Kein Poet, nein. Ich mache Prosa. Ich schreibe Reden.«
    »Bist du verheiratet?«
    »Keine Zeit«, sagte Mozart. »Ich muss für meine Mutter sorgen. Sie ist krank.«
    »Auf unsere Gesundheit«, sagte Rotkehlchen, »und die deiner Mutter.«
    »Ehrlich gesagt, Rotkehlchen«, sagte er, »habe ich auch schon daran gedacht auszusteigen.«
    »Dann mach es, Mozart. Lass dir nichts vorschreiben. Du bist ein freier Mensch.«
    »Oder …« Er brach ab.
    »Oder was? Was meinst du?«
    »Ich hasse diese Frau, aber …«
    »Welche Frau, Mozart?«
    »Die Kanzlerin. Sie ist ein Monster.«
    »Aber sie ist auch ein Mensch, Mozart. Eine Frau, die gern leben möchte, und ich kann nicht mehr schlafen, seit das Datum feststeht. Vielleicht, weil ich auch eine Frau bin.«
    Mozart schaute Rotkehlchen sehr lange an, verträumt und irgendwie erleichtert. »Vielleicht denken andere bei Cookie & Co ähnlich wie du«, sagte er schliesslich.
    »Ganz sicher, Mozart, da bin ich mir ganz sicher. Da wird brutal geredet, aber nicht alle sind brutal, die so brutal reden. Ich bin so froh. Weil ich spüre, dass du genauso empfindest wie ich.«
    »Vielleicht«, sagte Mozart, »könnte man alles noch stoppen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Rotkehlchen und prostete ihm zu. »Weisst du was, Mozart, jetzt habe ich plötzlich eine fast unbändige Lebenslust. Und die möchte ich mit dir geniessen. Hast du guten Kaffee bei dir zu Hause?«
    »Tee«, sagte Mozart, »ich trinke sehr gerne Tee.«
    »Dann trinken wir Tee, Mozart, aber warten wir nicht mehr länger. Komm!«

    So leicht hatte sich Figo seine Aufgabe nicht vorgestellt. Rotkehlchen, Mozart, das war klar. Und bei Silikon-Susi war er sich eigentlich auch sicher. Alle drei fotografiert, im Profil, im Gespräch, und seine Kamera war lichtstark. Bemerkt hatte ihn niemand. Er stand seitlich von der Theke, hinter einem Kleiderständer. Rotkehlchen hatte ihm gesimst: »Mozart ist der Verräter.«
    Figo verschickte die Fotos. »Er ist es. Melde mich wieder, wenn die Ratte eliminiert ist. Figo.«

P hysikalisch gesehen ist Spannung das spezifische Arbeitsvermögen der Ladung.
    Anarchisterix checkte sich ein, der Flug nach Zürich ist kurz.
    Manchmal dachte er über Begriffe nach, die plötzlich in seinem Kopf waren. Jetzt war es der Begriff Ladehemmung. Wenn jemand am Abzug einer Pistole zieht und der Schuss sich nicht löst, spricht man von einer Ladehemmung.

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