Die Kanzlerin - Roman
Witz hören.«
»Jetzt reicht’s, Frau Dr. Colani.«
»Ich arbeite als Notfallärztin im Kantonsspital St. Gallen. Vor ein paar Tagen besuchte mich, wie gesagt, unverhofft eine alte Studienfreundin. Clara Vogt. Völlig überraschend. Ich habe sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie bat mich, ihr einen Gefallen zu tun und ihr eine kleine Flasche Lachgas zu besorgen. Das habe ich gemacht.«
»Frau Dr. Colani, haben Sie Ihre alte Freundin gefragt, wofür sie das Lachgas verwenden will?«
»Nein. Aber möglicherweise wollte sie wieder einmal lachen.«
»Ist Clara Vogt drogensüchtig?«
»Das weiss ich nicht. Sie hat – vor zehn Jahren – gelegentlich Marihuana geraucht. Aber nichts Hartes.«
»Und Sie? Ist es für Sie auch selbstverständlich, Weiches zu konsumieren, bei Gelegenheit?«
Margrit stand auf und fragte: »Gibt es ein Röhrchen? Oder kann ich sonst wem was blasen?« Dann schloss sie die Augen und tupfte sich mit dem rechten Zeigefinger auf die Nasenspitze. »Ein Test, meine Herren, der nie schaden kann. Im Übrigen rauche ich nicht, trinke nicht, nehme keine Drogen und Männer nur ganz ausnahmsweise.«
Schild schaute jetzt fast etwas bekümmert. »Ist Ihnen der Ernst Ihrer Situation eigentlich bewusst, Frau Dr. Colani?«
»Ich kenne den Ernst des Lebens, den Ernst des Todes, und einen Herrn Ernst kenne ich auch.«
»Haben Sie Ihren Vorgesetzten über den Vorfall mit der Lachgasflasche informiert?«
Margrit schüttelte den Kopf, und Schild verschärfte den Ton: »Frau Dr. Colani, Sie haben also das Lachgas gestohlen, weil Sie angeblich davon ausgingen, dass Ihre alte Studienfreundin Drogen konsumiert.«
»Ich habe gesagt: Möglicherweise wollte sie wieder einmal lachen.«
»Lachgas ist eine Partydroge. Beliefern Sie auch andere Lachbedürftige, Frau Dr. Colani?«
»Ich habe mir das erst später überlegt. Als Clara mich nach dem Lachgas fragte, da habe ich einfach spontan reagiert. Sie hatte eine Bitte, und ich wollte ihr einen Gefallen tun.«
»Wissen Sie, was mich stört, Frau Dr. Colani?«
In diesem Augenblick sah Margrit einen verdächtigen braunen Fleck auf seiner Stirn. Schild war etwa sechzig Jahre alt. Er sollte sich untersuchen lassen, dachte sie.
»Frau Dr. Colani, hören Sie mir überhaupt zu? Mich stört, dass Sie sich als Zeugin gemeldet haben. Welchen Grund sollten Sie haben, Ihre alte Studienkollegin, die Sie angeblich seit Jahren nicht mehr gesehen haben, ans Messer zu liefern?«
»Ich war schockiert, als ich vom Attentat hörte, ich habe emotional reagiert. Ich will Clara nicht ans Messer liefern. Apropos Messer: Möglich, dass Sie sich bald unters Messer legen müssen, Herr Schild.«
»Wollen Sie mir drohen, Frau Dr. Colani? Wissen Sie, was ich glaube? Sie wussten, dass wir die Herkunft des Lachgases rasch aufklären würden. Darum haben Sie sich bei der Polizei gemeldet. Sie wollten sich schützen. Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.«
»Schutzfaktor 30«, sagte Margrit, »an einem Tag, so furchtbar wie heute.«
»Wo hält sich Ihre alte Freundin Clara Vogt derzeit auf?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie ihre Handynummer?«
»Hab’s versucht«, sagte sie und schrieb die Nummer auf einen Zettel.
»Was haben Sie mit Clara Vogt besprochen bei Ihrem Treffen?«
»Wir haben etwas gequatscht, nichts von Belang, wir haben uns einfach über das Wiedersehen gefreut.«
»Frau Dr. Colani, für den Moment haben wir keine weiteren Fragen an Sie. Aber es wird Sie wohl kaum überraschen, wenn ich Ihnen jetzt eröffne, dass wir Sie ab sofort nicht mehr als Zeugin befragen werden, sondern vorläufig festnehmen. Es besteht der dringende Verdacht, dass Sie am Attentat auf dem Säntis beteiligt waren.«
»So ein Blödsinn«, sagte Margrit etwas zu forsch, und Schild lächelte: »Sie haben das Recht zu schweigen, und Sie können einen Anwalt verständigen. Sollen wir Ihren Arbeitgeber informieren, oder möchten Sie der Spitalverwaltung Ihre Abwesenheit – die vielleicht etwas länger dauern könnte – selber mitteilen?« Sie schwieg, und Schild fragte: »Haben Sie uns abschliessend noch etwas zu sagen, Frau Dr. Colani?«
»Ich habe mit diesem Attentat nichts zu tun. Ich wollte meiner Freundin einen Gefallen erweisen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen Anlass, an etwas Schlimmes zu denken. Ich weiss nicht, was Clara in den letzten Jahren für ein Leben geführt hat. Und auch nicht, was sie angeblich gemacht hat.«
»Frau Dr. Colani, was ich Ihnen noch mit auf
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