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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Kanzlerin, der Bundespräsident, der Vizekanzler, vielleicht auch er selbst. Und jemand musste diese Rede schreiben.
    Er rief die Kanzlerin noch mal an.
    »Loderer? Kenne ich nicht«, sagte er.
    »Wenn einer das kann, dann Filip Loderer«, sagte sie.
    Er hörte sie atmen, und es war ein gutes Gefühl, dass er die Kanzlerin atmen hörte. Er wollte sagen: Xenia, ich bin froh, dass du lebst. Aber er sagte es nicht. Er fragte: »Willst du die Ansprache halten?«
    »Der Bundespräsident soll reden, kurz. Und dann sagst du, was zu sagen ist.«
    »Und Schiller, der Vizekanzler?«
    »Schweigt. Habe ich so mit ihm verabredet. Weil ich schliesslich noch am Leben bin.«

    »Werter Herr Loderer, Sie werden dringend gebeten, sich sofort ins Kanzleramt zu begeben. Die Frau Kanzlerin wünscht, dass Sie für mich eine Rede an die Nation schreiben. ARD, ZDF, RTL und Sat.1 sowie die öffentlich-rechtlichen Radiostationen werden diese Rede um 20 Uhr live senden. Bitte melden Sie sich. Grüsse von Benedikt Eisele, Innenminister.«
    Loderer starrte auf sein Handy, und Jenny fragte: »Musst du gehen, Filip?«
    »Ja«, sagte er.
    »Du hast Fieber«, sagte sie. »Fliegst du?«
    Loderer simste: »Bin in Düsseldorf. Linienflug?«
    »Luftwaffe holt Sie. LG, B. E. PS: Erwarte Ihr Manuskript bis 18 Uhr.«

    Jenny begleitete ihn. Nach ein paar Schritten nahm er sie in die Arme, drückte seinen Kopf an ihre Schultern und heulte. Sie sah ihn an. Sie wusste, dass sie sich nie mehr wiedersehen würden. Und er wusste es auch. Und dann drückte sie ihren Kopf an seine Schultern. Dass sie weinte, bemerkte Loderer erst später, als sie sich adieu gesagt hatten und er zu einem Taxi rannte. Sein Hemd war nass.
    »Mach’s gut«, hatte er gesagt. Sie standen da und schauten sich an. »Du bist eine prima Frau, Jenny«, sagte er noch, und sie sagte: »Und du bist ein guter Mann, Filip. Wir haben uns das beide nicht ausgesucht, aber ich schäme mich.«
    »Ich schäme mich auch«, sagte er.
    Und dann sagten sie gleichzeitig: »Danke.«
    »Schiller oder Goethe?«, fragte sie.
    »Schiller«, sagten sie beide im gleichen Atemzug.
    »Jetzt dürfen wir uns beide etwas wünschen«, sagte Jenny. Dann drehte sie sich um und ging und schaute nicht mehr zurück.

    »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger …«
    Er konnte das nicht. Er wollte das nicht. Er durfte diese Rede nicht schreiben. Ich muss schweigen, dachte Loderer im Taxi. Aber gleichzeitig marterte ihn der Gedanke, dass er einfach keine Alternative fand zu dieser Anrede. Die Bürger sind nicht lieb. Aber er war ein Profi. Er würde die Ansprache schreiben und erst am Schluss über die Anrede nachdenken, die Innenminister Eisele ohnehin frei formulieren würde.

» I ch heisse Margrit Colani und habe mich telefonisch bei Ihnen gemeldet.«
    Man hatte auf sie gewartet bei der Kantonspolizei St. Gallen und führte sie in einen kahlen Raum. Die St. Galler Kripohatte zwei ihrer besten Leute zur Befragung abkommandiert, anwesend waren ausserdem ein Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft, ein Mann von der Bundeskriminalpolizei, ein Schweizer Geheimdienstler und als Beobachter ein Mitarbeiter des deutschen Bundeskriminalamtes, der süffisant lächelte, als sie ihn ansah.
    »Frau Dr. Colani, Sie möchten im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Säntisbahn heute Morgen eine Aussage machen. Sie werden als Zeugin befragt, müssen aber bei wissentlichen Falschaussagen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Mein Name ist Schild, und ich bin hier in meiner Funktion als Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft. Das Gespräch wird auf Video aufgezeichnet. Bitte beginnen Sie.«
    Margrit lächelte in die Kamera. »Wenn ich das gewusst hätte, wär ich vorher noch zum Friseur gegangen.«
    »Frau Dr. Colani, es gibt in diesem Raum keinen, dem nach Witzchen zumute ist. Ihnen?«
    »In meinem Beruf«, sagte Margrit, »gibt es generell keine passenden Tage für Scherze. Möchten Sie deshalb als Patient nur heulende Ärzte sehen? Hätte ich mit einem Trauerflor hier erscheinen sollen?«
    »Ihre Zeit ist knapp bemessen, denke ich«, sagte Schild, »unsere auch.«
    »Vor ein paar Tagen hat mich unverhofft Clara Vogt besucht, eine alte Studienfreundin. Ich habe jahrelang nichts mehr von ihr gehört. Von Klärchen. Aber dann war ich ganz verklärt von ihr …«
    »Frau Dr. Colani, bitte.« Schild trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er war braungebrannt und sah todkrank aus. »Was wollte Clara Vogt von Ihnen?«
    »Plaudern. Den neuesten

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