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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Mitarbeiter zu beschäftigen, der möglicherweise erpressbar ist. Was sagen Sie dazu?«
    »Ich wusste, dass Sie mich eines Tages zur Rede stellen werden.«
    »Auf meinem Schreibtisch liegt ein Bericht, der Konsequenzen fordert. Herr Kranich, dass Sie dieses – für beide Seiten peinliche – Gespräch erwartet haben, ist eine Sache. Eine andere ist, was Sie getan haben, und noch eine andere Sache könnte sein, was Sie nun zu tun gedenken.«
    »Ich werde meine Schulden bezahlen.«
    »Wann?«
    »Sofort, in zwei, drei Wochen. Geben Sie mir diese Zeit.«
    »Sie werden es meinem Gesichtsausdruck leicht entnehmen können, Kranich: Sie enttäuschen mich. Zeit kann man sich weder geben noch nehmen, ich glaubte, da waren wir uns einig. Und wenn Sie wüssten, Kranich, wie lange Sie brauchen, um sich wieder solide zu machen, dann wüssten Sie auch, ob Sie dafür nun zwei oder eben drei Wochen brauchen. Sie wissen es aber nicht. Weil Sie nicht nur nicht mit Geld umgehen können, sondern, was vielleicht noch wichtiger ist: Sie können auch mit sich selbst nicht richtig umgehen, Johannes. Jahrelang haben Sie darauf gewartet, dass der Zeiger Ihrer Schweizer Bahnhofsuhr auf die nächste Sekunde springt, und haben sich in den Pausen versteckt. Sie weichen sich aus, Kranich, und ich frage mich, warum ein Mensch sich ausweicht und was so ein Mensch von sich selbst zu befürchten hat. Und ob ein Mensch, der offenbar Anlass dazu hat, damit nicht automatisch einer ist, vor dem auch andere sich zu fürchten haben. Diese Fragen stelle ich mir.«
    »Von mir geht keinerlei Gefahr aus«, sagte Kranich. »Nicht jeder, der in einer bedrohlichen Lage ist, bedroht damit auch andere.«
    »Aber vielleicht werden Sie zu einer Last, Herr Kranich. Bisher habe ich über Sie eigentlich fast gar nichts gewusst. Die Dossiers, die mir von den diversen Abteilungen vor Ihrer Einstellung auf den Tisch gelegt wurden, haben mich überhaupt nicht interessiert. Ich habe Sie engagiert, weil Sie mir spontan eingeleuchtet haben, wobei ich nun etwas klüger bin und es bedauere, dass ich mir diese Glühlampe vorher nicht genauer angeschaut habe. Ob sie vielleicht schon durchgeschmort ist. Dass ich von Ihnen fast überhaupt nichts weiss, war wohltuend, aber nun empfinde ich es durchaus als ein gewisses Manko, was Sie sicher verstehen werden. Wie können Sie für sich garantieren?«
    »Ich werde meine Probleme lösen.«
    »Grosse Worte, Kranich, tun Sie es gefälligst. Lösen Sie Ihre Probleme, und dann werden wir sehen, ob noch was von Ihnen übrig bleibt, wenn sich alles gelöst hat. Behelligt werden möchte ich damit aber nicht mehr. Es gibt Schuldenberatungsstellen, Psychologen, und vielleicht haben Sie ja auch ein paar Freunde, die Ihnen helfen können, oder eine reiche Bekannte, die Sie etwas stabilisieren möchte – womit ich Sie natürlich nicht dazu aufgefordert haben möchte, sich jetzt als Casanova in der Hauptstadt in einschlägigen Lokalen zu bewegen und reiche Damen zu belästigen. Ohne jetzt allzu intim werden zu wollen – ich glaube, Sie sind sich selbst eine Last, Kranich.«
    »Und warum feuern Sie mich nicht, Frau Kanzlerin?«
    »Weil ich andere Probleme zu lösen habe, darunter sogar löslichere. Zum Beispiel muss ich mich entscheiden, ob ich zwei oder drei Wochen in Urlaub fahre in diesem Jahr – Sie sehen, Herr Kranich, auch ich habe gelegentlich Zeitempfindungen, die an sich wenig wissenschaftlich sind, aber spätestens dann doch Sinnmachen, wenn man sich einmal entschieden hat. Zwei oder drei Wochen, was meinen Sie?«
    »Drei«, sagte Kranich spontan. »Es sei denn, Pils überlebt die nächsten Wochen nicht.«
    »Ach, der Arme, unser Pils, KaHa. Der Sozichef macht Sommerurlaub und jammert herum. Spricht von einem Vernichtungsfeldzug gegen seine Person, als ob Deutschland wieder im Krieg wäre und er zumindest ein Feldherr, dabei liegt die Idee nicht fern, dass ihm im Grunde nur ein Feldstecher fehlt, ein Fernglas, damit er seine Truppen wenigstens optisch wieder in die Nähe rücken könnte. Dieser KaHa. Ein Wanderer zwischen zwei Welten sozusagen, zwischen dem Rheinland und der Pfalz oder umgekehrt, der Arme.«
    »Er ist angeschlagen und unberechenbar.«
    »Auch Sie, Herr Kranich, sind angeschlagen und für mich nicht mehr ganz so berechenbar. Wobei, Fakt bleibt, Sie sind Schweizer. Waren Sie schon einmal auf dem Säntis?«
    »Nein.«
    »2501,9 Meter über Meer, Herr Kranich. So hoch kann die Schweiz sein. Und das im Appenzellerland.

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