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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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alles, was der Innenminister eines demokratischen Landes in einer solchen Situation zu sagen hat. Aber ich lege dieses Manuskript jetzt auf die Seite, weil ich Ihnen mit eigenen Worten sagen will, was passiert ist. Es kann dafür keine Vorlage geben, weil es dafür kein Beispiel gibt. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland ist seit zehn Tagen spurlos verschwunden. Wir wissen nicht, wo sie ist, noch wissen wir, in wessen Gewalt sie ist, und wir wissen nicht einmal, ob es für das Verschwinden der Kanzlerin überhaupt einen verbrecherischen, einen terroristischen Hintergrund gibt. Wir, und damit meine ich alle, die für die Sicherheit dieses Landes verantwortlich sind: die Regierung, das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, die Dienste der Länder, die Bundesanwaltschaft – wir alle wissen nicht, wo sich die Kanzlerin derzeit befindet. Es gibt seit nunmehr zehn Tagen kein Lebenszeichen mehr von ihr …«
    Oder würde Eisele es kürzer machen, persönlicher? Loderer gab ihm diese Worte:
    »Sie alle wissen, dass mich mit der Kanzlerin eine langjährige persönliche Freundschaft verbindet, die weit über das hinausgeht, was in der Politik sonst üblich ist. Aber als Innenminister habe ich die Pflicht, meine Aufgabe auch in diesen Stunden so wahrzunehmen, dass Sie darauf vertrauen können, dass – was immer auch passiert sein mag – Deutschland sich behaupten wird. Ich möchte das an dieser Stelle wiederholen: Deutschland hat sich in der Vergangenheit behauptet, auch unter denkbar schwierigsten Bedingungen, und Deutschland wird sich auch jetzt zu behaupten wissen, und dies mit ausschliesslich – ich betone – mit ausschliesslich rechtsstaatlichen Mitteln.
    Es ist mir sehr wohl bewusst, dass sich namentlich für die Medienvertreterjetzt eine Vielzahl von Fragen stellt, nicht zuletzt die Frage, warum ich, warum die Regierung so lange zugewartet hat mit der Information der Öffentlichkeit. Transparenz ist ein hohes Gut in einer Demokratie, und Regierungen haben nichts zu verheimlichen, sondern ihr Tun ist öffentlich und muss kontrollierbar sein. Und auch ich habe Ihnen nichts zu verheimlichen, leider, möchte ich hinzufügen. Weil die Regierung ihren Bürgern ja nur dann etwas verschweigen könnte, wenn sie etwas wüsste. In dieser Situation wollten wir uns zuerst Gewissheit verschaffen, wohl wissend, welche Reaktionen bei Bekanntwerden dieser unfassbaren Nachricht ausgelöst werden können – und jetzt wohl auch ausgelöst werden. Weil wir ein Wissen hatten, das wir nicht mitgeteilt haben. Wir wussten, dass die Kanzlerin verschwunden ist, nicht aber, unter welchen Umständen. Und diese Umstände, und dafür bitte ich um Ihr Verständnis, wollten wir geklärt haben, und dass es für diese Klärungsversuche eine internationale Zusammenarbeit praktisch aller Staaten gab, weltweit, das können Sie voraussetzen. Wir wollten uns Gewissheit verschaffen über das Schicksal der Kanzlerin, in deren Urlaub etwas passierte, wofür es bis heute keinerlei Erklärung gibt …«

    Loderer machte eine Pause. Das war nicht überzeugend, so würde Eisele nicht reden. Zu ausgefeilt. Es musste brüchiger sein. Vielleicht auch sprunghafter. Mehr Verunsicherung drin. Aber auch mehr Schärfe. Sprengsätze in einer traurigen Rede. Sätze mit Nachhall.
    Denkbar auch, dass der Vizekanzler an der Seite des Innenministers sitzen würde … Loderer ging zum Kaffeeautomaten, die traurigen Gedanken hatte er verscheucht, das war ihm gelungen, auch wenn diese Rede nichts taugte.
    Eine Mail der Kanzlerin? Betreff: »Reden und reden lassen«.
    »Geehrter Herr Loderer, ich möchte Sie natürlich nur ungernstören, aber wie Sie wissen, erwartet mich in wenigen Wochen das Sommerinterview mit dem ZDF-Bergprediger. Vielleicht könnten Sie mir beim Briefing behilflich sein? Und mir einen kleinen Input liefern? Fühlen Sie sich frei genug, vielleicht auch einen originellen Gedanken zu entwickeln, sofern Sie damit kein Sommertheater anzetteln. Grüsse Sie, die Kanzlerin.«

» H err Kranich, die Tage kommen und gehen, so wie das grosse Vorsitzende der grossen Sozialdemokratischen Partei zu tun pflegen, wobei Tage den Vorteil haben, dass wir zum Beispiel wissen, dass heute Mittwoch ist und darauf in der Regel der Donnerstag folgt und der Mittwoch im Übrigen den Dienstag abgelöst hat. Bei der SPD dagegen ist es möglich, dass auf den Mittwoch wieder der Dienstag folgt. Hält

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