Die Kanzlerin - Roman
ihn, Kranich rückte mit seinem Stuhl etwas abseits, Haxer lümmelte sich auf einen Ledersessel und schlug die Beine übereinander, Geheimdienstchef Martin Puller zog es vor, am Fenster stehen zu bleiben.
»Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Frau Heidenreich in diese ansonsten so exklusive Runde bitte?«
Puller sah den Vögeln zu, die auf dem Platz der Republik von den Touristen gefüttert wurden, die sich vor dem Kanzleramt ins Gras gelegt hatten und den sonnigen Tag genossen.
Die Kanzlerin seufzte. »Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann gab es zwischen Frau Hell und Herrn Boron eine Liebelei. Frau Hell hat, warum auch immer – aber ich gehe davon aus, das wird noch ermittelt –, diese Beziehung beendet, und Herr Boron wurde – da macht er wohl keine Ausnahme – als Mann damit nicht fertig. Er hat Frau Hell getötet – allerdings, und das erscheint mir nicht sehr logisch, offenbar nicht im Affekt, sondern geplant, weil er sie angeblich ja betäubt hatte, bevor er sie erstickte, und Betäubungsmittel trägt man üblicherweise nicht bei sich, auch nicht als Personenschützer. Anschliessend soll Herr Boron seinem Leben selbst ein Ende gemacht haben. Das Fazit wäre eine Beziehungstat, und für mich würde das konkret bedeuten, dass ich heute Nacht wieder zu Hause schlafen kann, bewacht von Sicherheitsleuten, die hoffentlich einen etwas distanzierteren Umgang miteinander pflegen.«
»So ist es«, sagte Brack, und Puller drehte sich um: »Und was ist mit diesem Mozart?«
Haxer lächelte.
»Für Heiterkeitsanfälle sehe ich keinen Anlass«, sagte die Kanzlerin.
»Wir haben ihn bis jetzt noch nicht orten können«, sagte Brack, und die Runde wartete auf weitere Ausführungen. Aber Brack schwieg, und so entstand eine längere Pause.
Martin Puller war ein sehr kräftiger Mann mit einer allerdings auffällig hohen Stimme. »Der Bundesnachrichtendienst hat im Zusammenhang mit Mozart ebenfalls Nachforschungen eingeleitet. Wir wissen zwar nicht viel über ihn, aber das, was er unsbeziehungsweise Ihnen, Frau Kanzlerin, bis jetzt verraten hat, deutet darauf hin, dass er einer verbrecherischen Organisation angehört oder zumindest nahe Kontakte pflegt zu Leuten, die sich angeblich das Kürzel DW verpasst haben. Was alles heissen kann: Deutsche Wanderer, Deutsche Wirrköpfe, Demokratische Wiege, Die Wahrheit – wie auch immer«, sagte Puller, »der BND hat von einer solchen Organisation bislang noch nie etwas gehört.«
»Und warum lässt sich dieser Mozart nicht orten, Herr Brack? Warum ist es derart schwierig, den Ort dieses Gesimses aufzuspüren?«
»Es gibt mehrere Möglichkeiten«, sagte Brack, »SMS zu verschicken und deren Herkunft – jedenfalls über eine gewisse Zeit – erfolgreich zu verschleiern. Erstens: Herr Mozart hat sich zum Beispiel in Tschechien, Rumänien, Bulgarien oder anderen Ländern der EU ein paar Dutzend Handys mit Prepaidkarten gekauft.«
Die Kanzlerin schnäuzte sich.
»Dann verschickt er an die Kanzlerin der Bundesrepublik eine SMS und entsorgt das Handy. Er benutzt also für jede SMS ein neues Handy mit einer neuen Karte – das wäre eine Möglichkeit. Zweitens könnte sich Herr Mozart solche Prepaidkarten, die bekanntlich nicht nur von Leuten mit Bonitätsproblemen gern benutzt werden, sondern auch von Kriminellen, ganz legal irgendwo in Deutschland gekauft haben. Unsere Fahndung wird ergeben, ob dem so ist, denn hat er die Karten hier gekauft, vielleicht sogar in Berlin, und lediglich die Mobilfunkgeschäfte gewechselt – dann werden wir ihn ausfindig machen. Diese Daten sind alle gespeichert, unsere Leute überprüfen sämtliche Läden, und sollte Mozart so vorgehen, wird er jedes Mal in einem Geschäft seine Nase zeigen, und es wird Verkäufer und Verkäuferinnen geben, die sich an diesen Mann erinnern werden – wenn es denn ein Mann ist. Auch das wissen wir ja derzeit noch nicht. Drittens« – die Kanzlerin hatte sich erkältet und tupfte sich erneut die Naseab – »könnte Mozart Ihnen von seinem Computer aus simsen, die Verschlüsselungstechniken sind denkbar einfach, und schliesslich gibt es in Berlin Hunderte von öffentlichen Telefonzellen, von denen aus man SMS verschicken kann, unerkannt. Die alle zu überwachen ist ein Ding der Unmöglichkeit.«
»Herr Brack, Sie sagen mir also, dass sich das Bundeskriminalamt ausserstande sieht, eine so simple Sache aufzuklären, trotz millionenteurer Computersoftware, für die ich mich zusammen mit
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