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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Genau solche Politikerinnen braucht das Land. Politikerinnen, die einen wachen Verstand und einen kühlen Kopf haben und frei sind vom Machogehabe, das viele ihrer männlichen Kollegen an den Tag legen. Gerade jetzt, wo Europa in einer so schwierigen Lage ist.“ Die Journalistin geriet regelrecht ins Schwärmen.
    Wagner hätte nur allzu gerne widersprochen. Stattdessen schwieg er. Ihm war bewusst, dass es nicht nur weibliche Solidarität war, die diese Sympathie für die Politikerin hervorrief. Marion Klaßen hatte die Gabe, Menschen für sich einzunehmen, und sie verstand sich vortrefflich darauf, sich gekonnt zu inszenieren. Und dass sie mutiger, begabter und kompetenter als viele ihrer männlichen Kollegen war, stand außer Frage. Und doch war es dieselbe Marion Klaßen, die ihn seit Wochen überwachen ließ und ihn brutal erpresst hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte Wagner den Wunsch, sich der Journalistin anzuvertrauen und ihr von dem zweiten Gesicht der Politikerin zu erzählen. Von ihrer brutalen Härte, ihrem krankhaften Misstrauen, ihren sexuellen Ausschweifungen, über die jeder männliche Politiker gestolpert wäre. Er ließ es lieber bleiben. Vermutlich würde Bianca ihm nicht glauben oder sogar beleidigt reagieren und ihm eine frauenfeindliche Einstellung vorwerfen. „Sie wollten mir etwas über die Baugenehmigung erzählen“, brachte er das Gespräch auf den Grund ihres Treffens zurück.
    Die Journalistin schob den Teller mit dem nur halb aufgegessenen Brötchen beiseite. „Der zwischenzeitlich erkrankte Sachbearbeiter machte am Telefon einen recht munteren Eindruck. Dass er mit seinem Vorgesetzten im Zwist liegt, hat seine Gesprächsbereitschaft beflügelt. Er hat kein Blatt vor den Mund genommen. Der Bauantrag wurde von Ansgar Müller unterschrieben. Der Kreis schließt sich, alles läuft auf Baumgart und Co. hinaus.“
    Während Wagner ihr zuhörte, ging ihm erneut Marion Klaßen durch den Kopf. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie im Hintergrund die Fäden zog und viel stärker in die Ereignisse der letzten Wochen verstrickt war, als bislang bekannt war.
    Die Journalistin war noch nicht fertig. „Was Müllers Tod betrifft, handelt es sich eindeutig um einen Unfall. Ein betrunkener junger Mann, der gerade erst seinen Führerschein gemacht hat, ist von der Fahrbahn abgekommen und ihm frontal ins Auto gefahren. Müller war sofort tot, der Unfallfahrer hat schwer verletzt überlebt. Wenn er wieder gesund ist, wartet eine Anklage auf ihn. Ich habe das überprüft.“
    Wagner winkte die Kellnerin herbei, um sich noch einen Kakao zu bestellen. Bianca Fröhlich wollte nur Mineralwasser. „Was ist mit dem redseligen Sachbearbeiter? Hat er noch etwas zur Klinik selbst gesagt?“
    Bevor sie antworten konnte, meldete sich ihr iPhone mit einem schnarrenden Geräusch. Für einen Moment war sie abgelenkt, dann wandte sie sich wieder Wagner zu. „Nur eine SMS von meinem Freund.“
    Nur hört sich gut an, dachte Wagner, Freund weniger.
    „Wo waren wir noch gleich …?“
    „Bei der Baugenehmigung für die Klinik und was der Sachbearbeiter wusste“, half Wagner ihr auf die Sprünge.
    „Wie gesagt, der Sachbearbeiter war nicht gut auf seinen Chef zu sprechen. Angeblich hat man ihm die Unterlagen weggenommen. Er sieht darin offenbar einen unzulässigen Eingriff in seine Zuständigkeit und ist sauer deswegen. Angeblich hat der Amtsleiter die Prüfung des Bauantrages zur Chefsache erklärt.“
    „Hm, das soll vorkommen, dass Chefs sich einmischen“, meinte Wagner.
    Sie nickte seufzend. „Das stimmt. Max Hollmann hat sich übrigens nie eingemischt. Mein neuer Vorgesetzter ist da ganz anders. Er nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich bin drauf und dran, mir eine andere Zeitungsredaktion zu suchen. Allzu viele Möglichkeiten bietet Hannover leider diesbezüglich nicht. Aber wem sage ich das? Sie sind ja Insider und kennen die Szene durch und durch. Der Sachbearbeiter jedenfalls war deshalb stinkig und hat sich darüber mokiert, dass sein Chef höchstpersönlich die Bauabnahme vorgenommen habe. Das täte er sonst nie.“
    „Nun“, meinte Wagner. „Loyalität gehört offenbar nicht zu den Eigenschaften des Sachbearbeiters. Als ich vor einigen Tagen dort war, waren die Bauarbeiten übrigens noch nicht abgeschlossen.“
    Bianca Fröhlich hatte eine Idee. „Vielleicht sollte ich der Klinik einen Besuch abstatten, mich dumm stellen und behaupten, ich plane eine Reportage über

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