Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Mal seit Monaten, dass ich lächelte. Von jetzt an würde alles gut werden. Ich spürte eine kraftvolle Zuversicht in mir, die ich zuletzt empfunden hatte, als ich den Innovationspreis aus den Händen des Ministerpräsidenten erhalten hatte
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„Meiden Sie in den nächsten Wochen unbedingt Kälte und Sonne“, gab Doktor Marek mir zum Abschied mit auf den Weg, bevor er mir alles Gute für mein zweites Leben wünschte
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Gekommen war ich als Martin Heidkamp, zweiundfünfzig Jahre alt, eine gescheiterte Existenz, wegen Konkursvergehens in Deutschland gesucht. Als Ewald Bodendorf, siebenundvierzig Jahre, geboren in Leipzig, verließ ich Bukarest. Der erste Schritt in mein neues Leben war geschafft. Jetzt brannte ich darauf, endlich meinen Plan umzusetzen und Rache zu üben
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H ANNOVER , K IRCHRODE
M ITTE A PRIL 2012
Wagner war stolz auf sich. Obwohl es regnete und windig war, hatte er sich aufgerafft und für die fast zehn Kilometer lange Strecke nach Kirchrode das Fahrrad genommen. Der größte Teil der Strecke führte ihn durch die Eilenriede. Langsam gewann Wagner Gefallen an den Radfahrten durch den Stadtwald. Selbst sein Hintern hatte sich an den Sattel gewöhnt. Insgeheim dankte er dem Verkäufer für seine Umsicht, die wasserdichte Windschutzjacke war ihr Geld wert.
Das Café am Bünteweg war an diesem Vormittag gut besucht. Bianca Fröhlich war vor ihm eingetroffen und hatte sich bereits ein Wellness-Frühstück bestellt: Orangensaft, Kräutertee, Müsli und ein Körnerbrötchen mit Kräuterquark. Wagner orderte das Kontrastprogramm: Kakao und ein Marmeladenbrötchen.
Nachdem der erste Hunger gestillt war und sie sich über die unbefriedigende Wetterlage, in diesem Frühjahr ein Dauerthema, sowie die neueste Nachrichtenlage zur Eurokrise ausgetauscht hatten, kam Wagner zur Sache. „Wir haben richtig gelegen. Ich bin mir jetzt sicher, dass es um illegalen Organhandel geht. Inzwischen weiß ich, dass Wächter und Baumgart kurz vor dem ersten Mord miteinander telefoniert haben. Dabei sollen die Worte ‚Lizenz zum Sterben‘ gefallen sein. Wächter hat sie benutzt. Und nicht nur das habe ich in Erfahrung gebracht. Bevor er umgebracht wurde, war Baumgart auf dem Weg zu Boris Milner.“ Den Namen Milner hatte Bianca Fröhlich noch nie gehört. Wagner klärte sie auf. Als der Name Mahow fiel, wurde sie hellhörig. „Den kenne ich, mit dem hatte Max Hollmann zu tun, bevor er verschwunden ist. Ich glaube, Mahow war so etwas wie sein Informant. Hat er sich nicht damals in der Untersuchungshaft erhängt?“
Wagner nickte. „So lautete die offizielle Version. Es ist in derselben Nacht passiert, in der Max Hals über Kopf das Land verlassen hat. Es gab Gerüchte, dass es kein Selbstmord war. Aufgeklärt wurde das aber letztlich nie.“
Bianca Fröhlich verschluckte sich an ihrem Kräutertee und hustete. „Sie meinen, Mahow hat gar keinen Selbstmord begangen und es war Mord im Spiel?“
„Ich hatte von Anfang an meine Zweifel an der Selbstmordtheorie“, räumte Wagner ein. „Auch wenn er damals Ministerialrätin König zum Krüppel geschlagen hat, wäre er mit zwei oder drei Jahren davongekommen. Seine Anwälte hatten auf Totschlag im Liebeswahn oder so plädiert. Einige Jahre deutsches Gefängnis sitzt einer wie Mahow auf einer Arschbacke ab.“
„Apropos Ministerialrätin König, wie geht es der überhaupt?“, erkundigte sich die Journalistin.
„Wir waren zwar Kollegen, aber keine Freunde. Ich habe sie Ende letzten Jahres einmal zu Hause besucht, mehr aus Pflichtgefühl als aus Verbundenheit. Ehrlich gesagt, konnten wir nicht besonders gut miteinander. Dennoch tut sie mir unendlich leid. Ihr Gehirn ist beim Aufprall auf den Glastisch in ihrem Wohnzimmer stark verletzt worden. Sie kann nicht mehr sprechen und sich immer nur für kurze Zeit konzentrieren. Der Vorfall hat den früheren Ministerpräsidenten mächtig mitgenommen.“
„Der Ministerpräsident war kein schlechter, der jetzige ist übrigens auch okay, sieht man davon ab, dass er am Rockzipfel seiner Frau hängt“, stellte Bianca fest. In den nächsten Minuten drehte sich ihr Gespräch um Klatsch und Tratsch aus der Landespolitik, dabei kam Bianca Fröhlich auf Marion Klaßen zu sprechen. In ihren Augen war die Politikerin wohltuend anders. Sie fand es klasse, dass die Politikerin sich als Frau gegen den Widerstand männlicher Kollegen durchgesetzt hatte. Bianca war voll des Lobes. „Marion Klaßen ist kompetent, modern und pragmatisch.
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