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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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fischte ein nicht mehr sauberes Taschentuch aus seiner Hose hervor und putzte sich die Nase.
    Verena schüttelte den Kopf. „Wilde Verschwörungstheorien sind das Letzte, was wir jetzt brauchen. Falls du an Marion Klaßen denkst, wir haben nichts gegen sie in der Hand. Und dass sie Baumgart und Wächter hat umbringen lassen, ist doch Blödsinn. Baumgart war der größte Geldgeber ihrer Partei und Wächter hatte sie ohnehin schachmatt gesetzt. Sag mir lieber, wie wir endlich weiterkommen. Es muss etwas geben, das wir bislang übersehen haben.“
    Ihr Kollege stand auf und ging zum Schrank, öffnete ihn und stöberte im oberen Regal herum. Schließlich beförderte er eine Schachtel mit Keksen ans Tageslicht, die er stolz hochhielt. „Da sind sie ja. Ich hatte glatt vergessen, dass ich sie hier deponiert habe. Weit weg vom Arbeitsplatz. Dann ist die Versuchung nicht so groß.“
    Mit der geöffneten Schachtel in der Hand kam er auf Verena zu. Sie nahm einen Keks, er stopfte sich gleich zwei in den Mund. Kauend sprach er weiter: „Ich fürchte, das sieht nicht gut für uns aus. Wenn ich recht habe, werden wir den Fall niemals aufklären. Auftragsmörder sind ausgekochte Profis. Vermutlich befindet sich der Mann längst wieder außer Landes. Und selbst wenn wir ihn wider Erwarten schnappen, bringt uns das nichts. Er würde niemals seinen Auftraggeber nennen. Die Hintermänner bleiben im Dunkeln – wie immer.“
    Verena erhob sich. „Na großartig. Du machst mir ja Hoffnung.“ Bereits im Hinausgehen drehte sie sich nochmals zu ihm um. „Hat sich Hirschmann eigentlich wegen der Klinik bei dir gemeldet? Er wollte doch …“
    „Bislang nicht. Du weißt doch, der bekommt das große Nervenflattern, wenn er mit der Politik zu tun hat“, unkte Pieper. „Ich glaube übrigens nicht, dass uns die Klinik weiterbringen wird. Wir dürfen uns nicht verzetteln.“
    Verena war sich da nicht so sicher. Sie trieben Zweifel um, ob nicht alles irgendwie zusammenhing, und egal was Hirschmann und ihre Kollegen sagten, würde sie sich näher mit der Klinik befassen.

51
B UKAREST
M ÄRZ 2010
    Die eisige Kälte raubte mir fast den Atem. Die Temperaturanzeige auf dem Vorplatz des Bahnhofs in Bukarest zeigte zwölf Grad minus an, fast zwanzig Grad weniger als bei meiner Abreise in Hannover. Mein dünner Anorak ließ mich frösteln
.
    Vor dem imposanten Säulenvorbau des Bahnhofsgebäudes standen Taxis, die auf zahlungskräftige Touristen warteten. Ich ließ sie links liegen und entschied mich für den Bus. Neugierig schaute ich aus dem Fenster, während der betagte Bus durch die Straßen Richtung Altstadt schnaufte. Die Stadt bot von allem etwas. Plattenbauten aus der sozialistischen Ära standen neben herrschaftlichen Villen und schmucken Häusern im Zuckerbäckerstil, Domizile der Elite des Ceausescu-Clans. In der Altstadt stieg ich aus. Das Hotel, das ich im Auge hatte, sah heruntergekommen aus. Früher wäre ich niemals in einem solchen Haus abgestiegen
.
    Die junge Frau am Empfang sprach ein nur schwer verständliches Englisch. Das Zimmer war winzig: ein Bett, ein schmaler Schrank, ein Nachttisch und eine Nasszelle, in der nur schlanke Personen verletzungsfrei duschen konnten. Der Teppichboden war zerschlissen, die Handtücher ebenfalls. Auch die Bettwäsche hatte schon bessere Zeiten gesehen
.
    Das Vorgespräch in der Klinik für Plastische Chirurgie stand erst am nächsten Vormittag an. Ich vertrieb mir den Nachmittag mit Sightseeing. Nach einem Besuch des Nationalen Kunstmuseums im Königsschloss besichtigte ich die Patriarchalkirche. Weshalb es mich ausgerechnet in eine Kirche zog, konnte ich nicht sagen. Der Glaube an Gott war es jedenfalls nicht. Den hatte ich längst verloren. Abends ging ich in eine der vielen Gaststätten in der Altstadt, trank Bier und aß Gulasch mit Nudeln. Erstmals seit Wochen gelang es mir abzuschalten. Während ich die Einheimischen beobachtete, vergaß ich für den Augenblick meinen Hass auf Müller und seine Verbündeten
.
    Bereits vor der Zeit erschien ich am nächsten Tag in dem aufgemotzten Plattenbau, in dem die Klinik untergebracht war. Innen war alles vom Feinsten, Marmorfußboden, holzverkleidete Wände und viel Glas und Stahl. Eine junge, attraktive Rumänin brachte mich zu den Räumen des Chefarztes. Ich war der einzige Patient im Wartebereich und musste nur wenige Minuten warten, bis Doktor Sorin Marek erschien. Er sah aus wie sein bester Patient, keine einzige Falte im Gesicht, eine

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