Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Psychokliniken.“
„Das halte ich für keinen besonders klugen Gedanken“, widersprach Wagner. „Nach allem, was wir bisher herausgefunden haben, sollen in der Klinik Organe entnommen und möglicherweise an andere Kliniken in Deutschland und Europa verkauft werden – deshalb die Vitalboxen. Auch können wir nicht ausschließen, dass die Morde damit zu tun haben. Wenn Sie da einfach so aufkreuzen, kann das gefährlich für Sie werden.“
„Mm, wir müssen auch an die Menschen denken, denen die Organe entnommen werden sollen. Aus Indien, Osteuropa und der Türkei hat man von Fällen besonders armer Menschen gehört, die ihre Organe verkaufen. Nicht wenige davon sollen hinterher elendig krepiert sein.“
„Wer sagt, dass sie ihre Organe freiwillig hergeben“, unkte Wagner.
Die Journalistin war blass geworden. Sie schaute sich im Café um, ob jemand mithörte. Dann rückte sie näher an ihn heran. Er mochte ihren Geruch und mehr noch ihre Nähe. Wie lange war es her, dass er das letzte Mal mit Monika geschlafen hatte? Vier Monate oder fünf? Es fiel ihm schwer, sich auf ihre Worte zu konzentrieren. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass sie dort Menschen gegen ihren Willen einliefern, ihnen Organe entnehmen und sie danach krepieren lassen. Das wäre Mord! Und das mitten in Deutschland, ich kann mir das nicht vorstellen und will es im Übrigen auch nicht.“
„Im Moment gehe ich noch davon aus, dass es auch in unserem so reichen Deutschland arme Menschen gibt, die gegen einen entsprechend hohen Preis eine ihrer beiden Nieren verkaufen. Man kann auch mit einer Niere gut leben. Es könnte aber auch anders sein und die Menschen gegen ihren Willen gezwungen werden. Wir wissen es nicht. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, was wir tun sollen. Lassen Sie mich eine Nacht darüber schlafen. Immerhin war Wächter ein Parteifreund von mir. Auf keinen Fall möchte ich unnötig Porzellan zerschlagen. Es wäre eine Katastrophe für die Partei, wenn etwas an die Öffentlichkeit dringt, was sich im Nachhinein als Irrtum erweist. Ich rufe Sie in den nächsten Tagen an, bis dahin habe ich mir überlegt, wie wir mit unserem Wissen umgehen.“
Noch während er die Worte aussprach, ärgerte er sich. Warum schob er die Entscheidung hinaus? Seine mangelnde Tatkraft würde bei der Journalistin übel aufstoßen. Frauen mochten keine entscheidungsschwachen Männer.
Zu seiner Überraschung stimmte Bianca ihm zu. „Die Sache ist verdammt heiß. Wir dürfen keinen Fehler machen, und auf einen Tag kommt es nun auch nicht mehr an.“
Als die Journalistin ihr Portemonnaie zücken wollte, winkte er ab. „Ich übernehme das. Wir hören dann in den nächsten Tagen voneinander.“
„Morgen, spätestens übermorgen wäre mir lieber“, sagte Bianca, bevor sie nach ihrer Tasche griff und zum Ausgang eilte.
Die Rückfahrt mit dem Fahrrad war grausig. Der Wind hatte nachgelassen, dafür war der Regen stärker geworden. Als Wagner im Landtag ankam, war er trotz der teuren Jacke klatschnass. Vor seinem Büro wartete Theresa Dahm auf ihn. Sie gefiel ihm auf Anhieb. Im Verlauf des Gesprächs sollte sich sein erster Eindruck bestätigen. Die junge Frau war selbstbewusst, aber nicht überheblich. Außerdem sprach sie fließend Englisch und Niederländisch. Nach einer halben Stunde waren sie sich einig. Sie konnte bereits im nächsten Monat bei ihm anfangen. Wenigstens eine meiner offenen Baustellen ist befriedet, freute sich Wagner, als er ihr zum Abschied die Hand gab.
Auch für die zweite Baustelle, sein desolates Liebesleben, wobei der Begriff Liebesleben den Zustand monatelanger Enthaltsamkeit nicht annähernd traf, zeichnete sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont ab. Bianca Fröhlich schien ihn sympathisch zu finden. Wenn er erst einmal einige Kilos abgespeckt hatte, würde sie ihn vielleicht auch als Mann anziehend finden. Ein Versuch war es allemal wert.
Nur bei der dritten Baustelle, den Mordopfern und ihrer Verstrickung in den Organhandel, hatte er noch immer keine Strategie.
53
O SNABRÜCK
Er hatte ein Treffen auf dem Friedhof vorgeschlagen. Wie unromantisch, war Verenas erster Gedanke gewesen. Der zweite, typisch Stolli!
„Wir treffen uns vor der Trauerhalle auf dem Heger Friedhof. Du bist ohnehin am Grab deiner Eltern und zu unserem Haus sind es nur zehn Minuten Fußweg von dort“, hatte er ihr am Telefon vorgeschlagen.
Verena war nicht begeistert gewesen. Ein Treffpunkt außerhalb seines Hauses, das in Wirklichkeit Anna
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