Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
mit dem Quatsch nicht aufhören.“
Es war noch eine ganze Weile in diesem Stil hin und her gegangen. Am Ende hatte Verena einsehen müssen, dass der Direktor nicht bereit war, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Das einzige Zugeständnis, das sie ihm abringen konnte, war sein Versprechen, beim Ministerium eine Überprüfung der Klinik anzuregen. Bereits bei der letzten Lagebesprechung hatte der Direktor zugesagt, beim Ministerium wegen der Klinik vorstellig zu werden, doch augenscheinlich bis jetzt nichts unternommen.
„Aber selbstredend unter strikter Einhaltung des Dienstweges“, hatte Hirschmann noch mit sorgenvoller Stimme hinzugefügt.
„Und wenn das Innenministerium die Information nicht weitergibt, was machen wir dann? Man liest doch immer, dass das Innenministerium mit dem Sozialministerium auf Kriegsfuß steht“, hatte Verena eingewandt.
„Das ist nicht unser Problem. Unser Dienstherr ist der Innenminister, und wenn sein Haus entscheidet, nichts zu unternehmen, haben wir das zu respektieren. Wir sind eine untergeordnete Behörde, das Sagen haben die Ministerien. Deshalb heißen sie ja auch Obere Landesbehörden. Das sollten Sie inzwischen gelernt haben, Sie haben doch damals in der Staatskanzlei ermittelt! Wirklich, Frau Hauser, ich muss mich über Sie wundern. Haben Sie vergessen, dass Sie Landesbeamtin sind?“ Ein Vorwurf, der Verena veranlasst hatte, zu kapitulieren.
Nach der Aussage Wagners hatte sich die Lage jedoch grundlegend verändert. Wagner war nicht irgendwer, er war Landtagsabgeordneter und Minister außer Diensten und trotz seines noch jugendlichen Alters ein alter Hase im Politikbetrieb. Selbst der obrigkeitshörige Zauderer Hirschmann würde seine Aussage nicht ignorieren können.
Als Wagner gegangen war und Verena den Direktor aufsuchen wollte, wartete seine Sekretärin mit einer unangenehmen Überraschung auf. Der Behördenleiter hatte sich spontan dazu entschlossen, an einem Führungskräfte-Meeting in Oldenburg teilzunehmen. Seine Rückkehr würde für den frühen Nachmittag des kommenden Tages erwartet. Verena verwarf die Überlegung, Hirschmanns Vertreter aufzusuchen. Der stand kurz vor der Pensionierung und traf seit Monaten keine einzige Entscheidung mehr ohne den Segen des Direktors. Schweren Herzens entschloss sie sich dazu, sich in Geduld zu üben.
Trotzdem fiel es ihr schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und noch schwerer, nach Feierabend abzuschalten. Jürgens ausführlicher Bericht über die erste Dienstbesprechung der neuen Innenministerin drang nicht wirklich zu ihr durch. Und auch ihre Nacht verlief unruhig, immer wieder wurde Verena wach, und wenn sie schlief, quälten sie Albträume von Menschen im OP-Saal.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich hundeelend. Im Badezimmer musste sie sich übergeben. Dieses Mal hatte Jürgen es mitbekommen. Er hatte sich vor der Tür aufgebaut, um sie abzufangen. „So geht das nicht weiter! Zieh dich an, ich fahre dich zum Arzt.“
„Ich gehe heute Nachmittag, ganz bestimmt“, versprach sie und dachte an Hirschmanns Rückkehr und den Durchsuchungsbeschluss, den sie unbedingt noch heute auf den Weg bringen wollte.
Jürgen blieb stur. „Nicht heute Nachmittag, jetzt sofort! Zieh dich an, ich bringe dich hin.“ Er behandelte sie wie ein kleines Kind. Es hatte Jahre in ihrem Leben gegeben, in denen sie froh gewesen wäre, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sich ihretwegen Sorgen machte. Jetzt war sie genervt, beschloss aber, nachzugeben. Im Grunde hatte Jürgen ja recht, schob sie doch den Arztbesuch seit Wochen vor sich her. „Und ruf mich sofort an, wenn du fertig bist. Ich will wissen, was los ist“, bat Jürgen sie, als er sie vor der Arztpraxis absetzte.
Sie hatte Glück, im Wartezimmer saßen nur drei Patienten. Bereits nach einer halben Stunde wurde sie in den Behandlungsraum gerufen. Nachdem sie ihre Probleme geschildert hatte, fragte ihr Arzt sie nach ihrer letzten Periode. Ihre Antwort veranlasste ihn zu einer weiteren Frage: „Wann war Ihre letzte Regel? Vor zwei Monaten? Haben Sie einen Schwangerschaftstest gemacht?“ Was sollte die Frage, natürlich hatte sie nichts dergleichen unternommen. Sie war einundvierzig und ihre Wechseljahre hatten bereits eingesetzt. Davon war sie jedenfalls bis zu diesem Moment ausgegangen.
Ihr Arzt bestand auf einem Schwangerschaftstest. Nachdem sie eine Urinprobe abgegeben hatte und Blut abgezapft worden war, nahm er eine
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