Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
derzeitige Leiter geht in den Ruhestand. Für mich ein Horrorszenario. Die meisten Kommunen sind pleite, was die Damen und Herren Bürgermeister aber nicht daran hindert, Geld zu verschwenden. Der jetzige Leiter hat mir gesagt, dass er heilfroh sei, den ganzen Mist endlich hinter sich lassen zu können.“
Verena wurde von bösen Vorahnungen erfüllt. Die Offerte aus München stand noch im Raum. Noch immer hatte Jürgen nicht endgültig abgesagt. Die Vorstellung, dass ihre noch so frische Beziehung auf das Format Wochenendbeziehung reduziert werden würde, gefiel ihr gar nicht. „Vielleicht ist die Aufgabe doch ganz interessant. Mit Anfang fünfzig ist eine neue Herausforderung keine schlechte Sache.“
„Herausforderung? Eine Zumutung ist das! Mit eitlen Landräten und Bürgermeistern zu verhandeln, grauenhaft!“
In Verena stieg Panik auf. Der Anfang vom Ende ihrer erst fünf Tage alten Lebensgemeinschaft drohte.
Mit den Worten „Lass uns heute Abend in Ruhe darüber reden“ beendete Jürgen das Telefonat.
Fassungslos starrte sie auf das Telefon. In Ruhe reden? Sollte Jürgen das Wort München in den Mund nehmen, wäre es mit der Ruhe vorbei. Sie war keineswegs gewillt, eine Wochenendbeziehung zu führen. Ein attraktiver Mann wie er die ganze Woche allein in München – sie hatte schon einmal einen Mann an eine Jüngere verloren.
Beim Versuch, den stellvertretenden Leiter der KOST zurückzurufen, musste sich Verena mit dem Besetztzeichen zufriedengeben. Sie hatte gerade aufgelegt, als Direktor Hirschmann ihr Büro betrat. Er brachte Neuigkeiten. „Minister Lühmann ist einverstanden, dass Sie mit Baumgart sprechen.“
Verena war perplex, damit hatte sie nicht gerechnet.
Hirschmann wurde konkreter: „Wenn Sie mich fragen, trägt der Minister zwei Seelen in seiner Brust. Politisch würde es ihm gut in den Kram passen, wenn wir Wächter eine Sauerei im Zusammenhang mit dem wichtigsten Sponsor der Bürgerpartei nachweisen. Andererseits ist Baumgart auch Sponsor des Kunstmuseums und die Frau Gemahlin des Herrn Ministerpräsidenten hat sich der Kunst verschrieben. Außerdem unterstützt er ihre Stiftung für misshandelte Kinder. Die Vernehmung ist also ein zweischneidiges Schwert.“
„Demnach erwartet der Minister, dass ich Tobias Wächter die Verstrickung in Straftaten nachweise, Baumgart aber aus dem Ganzen als Unschuldslamm hervorgeht.“
Hirschmann lachte. „So habe ich ihn verstanden.“ Er klopfte ihr auf die Schulter. „Sie machen das schon, Frau Hauser. Schließlich haben Sie mehrfach bewiesen, dass Sie über das nötige Fingerspitzengefühl verfügen. Wie geht es übrigens Ihrem Mann, Pardon, Lebenspartner sagt man ja wohl?“
„Danke, so weit gut.“ Sie hoffte, dass ihr Gesicht nicht verriet, wie es wirklich in ihr aussah.
Hirschmann war wieder einmal bestens informiert, sein guter Draht in die Politik zahlte sich selbst beim Behördenklatsch aus. „Es kursieren Gerüchte, dass der Minister die Stelle des Chefs der Landespolizei im Ministerium neu besetzen will. Die Dame seiner Wahl soll die Polizeipräsidentin aus Braunschweig sein. Streng vertraulich und nur unter uns: Die Kollegen aus Braunschweig sind heilfroh, wenn sie sie loswerden. Ein Parteigewächs, das von Polizeiarbeit herzlich wenig verstehen soll. Nun ja, so ist es mit der hohen Politik. Um auf Baumgart zurückzukommen: Hoffen wir, dass es dieses Mal keinen Ärger gibt. Ich habe nicht vergessen, wie er im letzten Jahr seine Staranwälte aufgeboten hat.“
„Ich auch nicht“, bestätigte Verena und dachte an Jürgen. Es wurde also ernst mit seiner Umsetzung.
Wieder allein versuchte sie erneut, den stellvertretenden Leiter der KOST zu erreichen. Vergebens, er telefonierte noch immer. Verena überbrückte die Zeit und wählte die Nummer der Baumgart Holding.
Eine aufgelöste Chefsekretärin namens Graf behauptete, dass ihr Chef verschwunden sei. „Seit gestern telefoniere ich mir die Finger wund. Er hatte eine Geschäftsreise nach Berlin, von der er nicht zurückgekommen ist. Auf meine Rückrufbitten und SMS reagiert er nicht. Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich. Ich arbeite seit zehn Jahren für Herrn Baumgart und noch niemals hat er Termine nicht eingehalten und Rückrufbitten ignoriert.“
„Was ist mit seinem Gesprächspartner in Berlin? Haben Sie mit dem gesprochen?“
„Das ist es ja! Herr Milner behauptet, dass mein Chef zum vereinbarten Termin nicht erschienen sei.“
Milner? Der Name kam Verena bekannt
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