Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
„Das hat seine Gründe. Wir wollen nur absolute Topmanager behandeln. Keine Kreis- oder Regionalliga, ausschließlich die Topliga. Öffentlichkeit ist da kontraproduktiv. Es muss alles sehr diskret ablaufen. Deshalb lassen wir auch keine Besucher zu.“
Wagner fragte sich, wie die Klinik ohne Akquisition an die avisierten Topmanager herankommen wollte. Würde einer vom Kaliber eines Herrn Winterkorn nach einer Aufsichtsratssitzung einen ebenfalls millionenschweren Topmanager beiseitenehmen und von seiner Behandlung in der Psychoklinik schwärmen? Kaum vorstellbar.
„Eine offizielle Eröffnungsfeier wird es daher nicht geben“, fügte Bodendorf hinzu.
Also keine Reden und keine Politiker, dachte Wagner. Was hatte Wächter dann hier gewollt? Und noch wichtiger, was hatte ihn so sehr beunruhigt? „Herr Wächter war einen Tag vor seinem Tod zu Besuch bei Ihnen …“ Wagner stockte, um die Reaktion seines Gegenübers abzuwarten.
Bodendorf nickte. „Ja, das stimmt. Furchtbar, dieser Mord. Und jetzt auch noch Herr Baumgart, schlimme Sache. Auch richtig ist, dass Herr Wächter sich sehr für unser Vorhaben interessiert hat. Er war ja im Aufsichtsrat der Baumgart Holding und hat unser Vorhaben auf der politischen Ebene begleitet.“
Daher wehte also der Wind, ungewollt hatte Bodendorf ihm eine überaus interessante Information gegeben. Baumgart war Investor der Klinik und Wächter der politische Wegbereiter. Blieb immer noch die Frage, was Wächter veranlasst hatte, alle anderen Termine abzusagen, um der Klinik einen überstürzten Besuch abzustatten.
„Ein merkwürdiger Zufall, erst wird ein Politiker erstochen, unmittelbar nachdem er die Klinik besucht hat, und kurz darauf der Investor“, stellte Wagner fest.
Sein Gegenüber reagierte gereizt. „Was wollen Sie damit andeuten? Es handelte sich um einen ganz normalen Informationsbesuch. Herr Wächter hat sich nach dem Fortschritt der Sanierungsarbeiten erkundigt und wollte den aktuellen Stand in Augenschein nehmen. Ich hatte den Eindruck, er kam im Auftrag von Herrn Baumgart. Einen Zusammenhang zu dem Doppelmord herzustellen, halte ich für abenteuerlich. Herr Baumgart erwähnte bei seinem letzten Besuch Ärger wegen der vorgesehenen Bebauung des Klagesmarktes. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass einer der Aktivisten Herrn Baumgart gedroht haben soll. Und Wächter hat sich sicher mit seiner Bürgerpartei für das Bauvorhaben stark gemacht.“
Sein lauernder Blick traf Wagner, der jedoch auf einen Kommentar verzichtete. Ungemütliches Schweigen breitete sich aus. „Wie dem auch sei, es gibt zu viele Neider in diesem Land – und Verrückte“, stellte Bodendorf schließlich fest.
„Kann ich die Klinik besichtigen? Ich würde gerne Einblick nehmen, für den Fall, dass im Gesundheitsausschuss des Landtages danach gefragt wird.“
Eine fadenscheinige Begründung, die Bodendorf dennoch in Verlegenheit brachte. Er konnte das Ansinnen kaum ablehnen. Erneut musste die Brille daran glauben. Litt der Mann unter einem Putzzwang? Vielleicht sollte er sich selbst einer Behandlung in der Klinik für Gestresste unterziehen. Die Antwort kam zögernd. „Das ist keine gute Idee. Sie sehen ja, die Handwerker sind noch nicht fertig. Überall Staub und Dreck.“
„Staub und Dreck stören mich nicht“, versicherte Wagner, seine eigene Wohnung vor Augen. Seit Monikas Auszug war es um die Sauberkeit seiner Wohnung nicht zum Besten bestellt. Nicht, dass seine Frau geputzt hätte. Dazu war sie sich zu fein gewesen. Aber immerhin hatte sie für eine zuverlässige Putzfrau gesorgt, die nach ihrem Auszug allerdings gekündigt hatte. Auch etwas, das er dringend ändern musste.
Bodendorf schaute demonstrativ auf seine Uhr. „Also ehrlich gesagt, es passt gerade gar nicht. In einer halben Stunde kommt der Architekt und …“ Wenn es sein musste, konnte Wagner hartnäckig sein, sehr sogar. Jetzt stellte er es unter Beweis. Am Ende zuckte der Verwaltungsdirektor genervt die Schultern und gab klein bei. „Okay, ich kann Ihnen ein Patientenzimmer und den Aufenthaltsraum zeigen. Kommen Sie mit.“
Wagner hatte Mühe, Bodendorf zu folgen, der im Laufschritt den Gang entlang und eine weitere Treppe hinaufrannte, bevor er eine der Türen aufriss. „Hier haben Sie eines der Patientenzimmer“, sagte er und blieb im Türrahmen stehen.
Wagner drängte sich an ihm vorbei. Ein kahler, weiß gestrichener Raum. Ein Bett, ein Nachttisch, ein Stuhl, ein schmaler Schrank und leere Kartons.
Weitere Kostenlose Bücher