Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Ministerien und Landesbehörden setzte ein allgemeines Stühlerücken ein, von dem auch Jürgen Ritter betroffen war.
Marion Klaßen ließ sich die Gelegenheit zur Regierungsschelte nicht entgehen und lud zum Pressefrühstück in die Präsidentensuite des Landtages ein. Wie immer tipptopp gekleidet und geschminkt, ging sie hart mit der Landesregierung ins Gericht. „Noch niemals in der Geschichte dieses Landes hat eine Regierung eine solch skrupellose Vetternwirtschaft betrieben! Qualifikation spielt keine Rolle mehr und der Bürger hat das Nachsehen.“
Trotz ihrer für ihre Verhältnisse ungewöhnlich lauten Stimme wirkten die Journalisten gelangweilt. Einige gähnten ungeniert, andere lasen Zeitung oder spielten demonstrativ mit ihren Smartphones. Die Ausführungen der Oppositionsführerin hatten für sie den Nachrichtenwert einer Seifenoper. Routine, die auf jeden Regierungswechsel so sicher wie das Amen im Gebet folgte. Spitzenbeamte der anderen Fraktion wurden entlassen oder zumindest strafversetzt, die eigenen Leute in Schlüsselpositionen gehievt. Die Medien waren nur an Neuigkeiten zu den Mordfällen interessiert, war doch die Bürgerpartei stärker als alle anderen Landtagsparteien betroffen.
Bianca Fröhlich, Journalistin der Allgemeinen Niedersachsenzeitung und wie gewohnt scharfzüngig, meldete sich als Erste zu Wort. „Dem Vernehmen nach gibt es konkrete Hinweise, dass der Abgeordnete Wächter und Hans Baumgart vom selben Täter erstochen wurden. Was sagen Sie dazu? Immerhin geht es um ein Mitglied Ihrer Fraktion.“
Nur wer Marion Klaßen näher kannte, merkte ihr an, dass ihr die Frage ganz und gar nicht gefiel. Das Lächeln, mit dem sie die Journalistin bedachte, fiel kühl aus. „Das zu bewerten, ist Sache der Polizei und der Gerichte, nicht meine.“
Bianca Fröhlich gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Haben die Morde mit den Geschäften der Baumgart Holding zu tun? Herr Wächter war ja Mitglied im Aufsichtsrat, da liegt die Vermutung nahe, dass es um Geschäftliches ging.“
Die Antwort der Fraktionsvorsitzenden blieb vage. Zu den Geschäften des Herrn Baumgart könne sie sich nicht äußern, darüber wüsste die Unternehmensleitung Bescheid. Nun mischten sich auch die übrigen Medienvertreter ein. „Ging es womöglich um illegale Aktivitäten?“, fragte etwa der Redakteur des Braunschweiger Tageblattes, ein Sympathisant der Sozialpartei und der Fraktionsvorsitzenden allein aus diesem Grund ein Dorn im Auge. Er schob eine Erklärung nach. „Hinweise und sogar Ermittlungen, dass die Geschäfte der Baumgart Holding sich am Rande der Legalität bewegt haben, gab es schließlich immer wieder.“
Marion Klaßen fixierte den Fragesteller. Ihr Blick ließ ihn frösteln. „Die Ermittlungen wurden in jedem einzelnen Fall eingestellt. Sie sind nichts weiter als bösartige Unterstellungen! Sie sollten aufpassen, sonst droht Ihnen ein Verfahren wegen übler Nachrede!“
Weitere Fragen wurden gleich im Keim erstickt. Das Pressefrühstück fand wegen angeblicher Anschlusstermine der Politikerin ein jähes Ende.
Als Verena am späten Vormittag unangemeldet bei der Fraktionsvorsitzenden aufkreuzte, war deren Laune entsprechend schlecht. Der gut aussehende Typ war nicht anwesend, stattdessen residierte eine ebenfalls übellaunige Frau Stigler im Vorzimmer. Es gibt Menschen, die trifft man immer wieder, dachte Verena, ob man will oder nicht. Frau Stigler gehörte eindeutig dazu. Verena verzichtete auf ein Getränk, sie beschloss, gleich zur Sache zu kommen. „Ich habe mit einem Herrn Lentz gesprochen, ein Privatdetektiv. Er hat eingeräumt, dass Tobias Wächter ihn beauftragt hat, Sie zu observieren. Haben Sie davon gewusst?“
Marion Klaßen sah bestürzt aus. Aber weshalb? Wegen der Observierung oder weil die Polizei davon Wind bekommen hatte? Obwohl die Polizeibeamtin die Gesichtszüge der Politikerin eingehend musterte, ließen sie keine Rückschlüsse zu, wie es wirklich in ihr aussah.
„Natürlich nicht“, behauptete die Politikerin. „Auf so eine abstruse Idee kommt doch niemand. Andererseits, bei näherem Nachdenken will ich es nicht ausschließen, dass er zu solchen Methoden gegriffen hat. Sie müssen wissen, im Intrigieren und Bespitzeln war Wächter unschlagbar. Dass Neid und Missgunst unter sogenannten Parteifreunden weit verbreitet sind, dürfte Ihnen bekannt sein. Und Frauen, die es in politische Spitzenpositionen geschafft haben, werden noch eher Opfer von
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