Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Hurensohn, lüg uns nicht an! Du hast Wächter eine Mail geschickt und wolltest dich mit ihm treffen. Du wolltest die Bilder zweimal verkaufen, du Arsch!“
„Das stimmt nicht, so war es nicht. Ich habe ihm nur gemailt, weil ich den Auftrag zu Ende bringen wollte. Das musste ich doch. Ich schwöre es“, wimmerte er.
„Wo ist die Kamera?“, knurrte der Dicke. Lentz befürchtete einen weiteren Schlag ins Gesicht.
„Im Schrank unter dem Fenster.“
Als der Schlaksige zum Schrank ging, konnte Lentz die Übelkeit nicht länger zurückhalten. Er erbrach sich auf dem Teppich.
„Schöne Schweinerei“, sagte der Dicke. „Igitt, das stinkt vielleicht.“
Der Lange kramte unterdessen im Schrank herum, ließ achtlos Tischtücher und Bücher auf den Boden fallen. „Da haben wir ja das gute Stück.“ Stolz hielt er dem Dicken, der offenbar das Sagen hatte, die Kamera entgegen.
„Alle Achtung, eine digitale Spiegelreflexkamera. Die nehmen wir mit. Was ist mit der Festplatte von deinem Computer? Du hast die Fotos doch bestimmt dort gespeichert?“, fragte der Dicke.
„Nein, das habe ich nicht. Fotos von Observationen speichere ich nie auf meinem PC.“
„Quatsch nicht herum. Sag uns lieber das Passwort“, fuhr ihn der andere an, während er den Computer auf dem Tisch unter dem Fenster einschaltete.
„Angelika, der Name meiner Tochter.“ Noch während Lentz den Satz aussprach, hätte er ihn am liebsten gleich wieder zurückgenommen. Was war er doch für ein hirnloser Idiot, seine Tochter zu erwähnen.
„Check das!“, forderte der Kürzere den Langen auf. Während der Computer hochfuhr, rülpste der Lange und erneut breitete sich Knoblauchgestank aus.
Lentz spürte seinen Darm. Lange konnte er es nicht mehr aushalten. „Ich muss dringend zur Toilette.“
Der Dicke grinste hämisch. „Du bleibst sitzen, Kumpel. Reiß dich zusammen. Oder willst du deinen schönen Teppichboden nicht nur vollkotzen, sondern auch vollscheißen?“
Nach weiteren Minuten, die Lentz wie eine Ewigkeit vorkamen, sagte der Lange: „Hier ist tatsächlich nichts.“ Dann fiel sein Blick auf die beiden Fotorahmen auf dem Sekretär. „Nettes Mädchen, deine Tochter“, sagte er. „Wäre doch schade, wenn ihr etwas zustoßen würde.“
Scheiße, sie hatten seine Tochter im Visier. Angelika lebte nur vier Kilometer entfernt bei seiner Ex in der Südstadt. „Ich tue alles, was Sie wollen, aber lassen Sie meine Tochter in Ruhe“, flehte er die Männer an.
Der Dicke erhob sich, wobei er die Pistole wegsteckte. „Gut zu wissen, Kumpel. Du hast die Fotos niemals gesehen. Falls dich die Schlampe von der Kripo noch einmal fragen sollte, bleibst du dabei. Sonst … Wäre wirklich schade um das hübsche Kind. So jung. Vierzehn, fünfzehn? Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ihr niedliches Gesicht aussieht, wenn wir …“
Oh Gott, dachte Lentz. Sie kennen meine Tochter. „Sie können sich auf mich verlassen“, versprach er. „Aber tun Sie ihr bitte nichts an. Sie hat nichts damit zu tun und ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt.“ Seine Stimme klang gepresst, die Krämpfe in seinem Darm waren wie Peitschenhiebe.
Im Hinausgehen fegte der Lange die Fotorahmen vom Schreibtisch. Ein Bild hob er auf und nahm es an sich. „Das nehmen wir mit, damit wir die niedliche Kleine nicht vergessen. Oh, là, là!“ Er schnalzte mit der Zunge.
Ich werde sie töten, alle beide, schwor sich Lentz, wenn sie ihr etwas antun. Und wenn es das Letzte ist, was ich in diesem Leben tue.
„Komm jetzt“, forderte der Dicke seinen Partner auf. Im Türrahmen drehte er sich nochmals zu ihm um. „Das Geld bringst du zurück. Bis morgen Abend liegt es im Briefkasten von Frau Klaßen. Ihre Anschrift kennst du ja.“
Lentz wollte antworten, brachte jedoch kein einziges Wort mehr hervor. Seine ganze Konzentration galt jetzt seinem Darm. Sein schwaches Nicken schien die beiden Männer zufriedenzustellen. Als die Tür hinter ihnen zuschlug, stürzte Lentz auf die Toilette. Mit letzter Kraft ließ er sich auf die Toilettenschüssel sinken. Später, als der Durchfall vorbei war, ging er ins Wohnzimmer zurück und öffnete die Fenster. Der Gestank war unerträglich. Mit Putzlappen und Eimer machte er sich daran, das Erbrochene wegzuwischen. Es war nicht die Schwäche, die seinen Körper zittern ließ. Es war Angst. Noch niemals zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt.
38
H ANNOVER , L ANDTAG
M ITTE A PRIL
Wagner lehnte sich weit in seinem Schreibtischstuhl
Weitere Kostenlose Bücher