Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
geschummelt.
Dann machten sich die Gäste über das Essen her: Hummersuppe mit Krebsschwänzen, Rinderfilet auf Steinpilzen und Mousse von der Schokolade mit Erdbeersauce. Besonders dem Champagner und Chablis wurde gut zugesprochen. Wagner fand es beruhigend, dass der Verband trotz der vom Präsidenten hervorgehobenen wirtschaftlichen Misere seiner Mitgliedsfirmen doch noch über ausreichende Geldbestände zu verfügen schien. So schlecht konnte es um die niedersächsische Wirtschaft demnach nicht bestellt sein. Der Golfspieler zu Wagners Rechten wandte sich Wagner zu und stellte sich als Inhaber eines niedersächsischen Bauunternehmens vor.
Nachdem Wagner sich seinerseits als Abgeordneter geoutet hatte, kam der Unternehmer ohne Umschweife auf die Mordfälle zu sprechen. „Natürlich sind die Mordfälle eine Schande, aber eines muss ich Ihnen sagen: Ihr Kollege Wächter war nicht ganz koscher. Die Connection zu Baumgart war einigen von uns nicht geheuer, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Wagner verstand nur zu gut. Sein Sitznachbar deutete Korruption an.
„Die beiden waren ein Kopf und ein Arsch. Die Sache mit der Kleingartenkolonie in Ricklingen stank meilenweit gegen den Wind, genauso wie das Bauprojekt im Leinepark in Linden. Und zuletzt hatten sie auch noch den Klagesmarkt im Visier. Immer wenn es viel Geld zu verdienen gab, war Baumgart vorneweg. Wer weiß, was da im Hintergrund sonst noch gelaufen ist.“
Wagners Neugierde war geweckt. „Was genau meinen Sie mit ‚im Hintergrund‘ gelaufen?“
„Was wohl? Geldwäsche. Die Spatzen pfeifen es ja schon von den Dächern: Baumgart soll im großen Stil Geld für die Mafia gewaschen und Wächter ihm dabei geholfen haben.“
Das war starker Tobak. „Haben Sie Beweise für Ihre Behauptungen? Falls ja, müssen Sie die Polizei einschalten!“
Der Unternehmer lachte höhnisch. „Was soll die Polizei da schon groß ausrichten? Ich habe neulich einen Vortrag gehört, von einem Vorstandsmitglied der OCD über Geldwäsche und so.“
„Sie meinen OECD“, korrigierte Wagner den mitteilsamen Unternehmer.
„Das ist doch jetzt egal. Jedenfalls haben die festgestellt, dass jährlich rund sechzig Milliarden Euro Mafiagelder in Deutschland gewaschen werden. Danach ist Deutschland ein Paradies für kriminelle Geldwäscher.“
Das Thema war Wagner bekannt, auch dass die Politik davon nichts wissen wollte. „Und Sie glauben, dass Baumgart da seine Finger im Spiel hatte?“, brachte Wagner das Gespräch auf den Ausgang zurück. „Können Sie das beweisen?“
„Natürlich nicht. Wie denn auch, wenn die Politik wegschaut? Was soll ich als kleiner Unternehmer da machen? Und Baumgart und Co. legen enorme Fantasie an den Tag, um ihre Geldkanäle zu kaschieren. Alle in der Stadt wissen, dass die vielen neuen, größtenteils überflüssigen und leer stehenden Bauvorhaben aus Mafiageldern finanziert werden. Mit legalem Geld wäre das nicht möglich.“
Wagner musste an ein Gespräch zwischen dem früheren Innenminister und Albi denken. Auch der Minister hatte davon gesprochen, dass die Mafia im großen Stil in Deutschland investiert und die legale Wirtschaft, insbesondere den Mittelstand, immer stärker bedroht. „Legales Kapital braucht Renditen, schmutziges nicht“, hatte der Minister damals gesagt und Wagner sich gefragt, weshalb die beiden Politiker nichts unternahmen, um dem bösen Spiel Einhalt zu gebieten.
Zu seiner Erleichterung erwartete der Unternehmer keinen Kommentar von ihm. Er wechselte das Thema und unterhielt die Runde mit einem peinlich genauen Bericht über eine Löwenjagd in Kenia. In begeisterten Worten schilderte er seine Erlebnisse. Ganz billig sei der Trip nicht gewesen, meinte er, aber fünfzigtausend sei ein kapitaler Löwe allemal wert. Die Tischrunde hörte interessiert zu, Wagner hingegen hatte die Nase voll. Er verabschiedete sich noch vor dem Dessert. Zu Hause angekommen fand er eine Nachricht von Bianca Fröhlich auf seinem Anrufbeantworter vor. Sie bat ihn um Rückruf, jedoch nicht nach zweiundzwanzig Uhr, da sie Frühschicht habe. Mist, dachte Wagner. Hätte er die beknackte Veranstaltung eine Viertelstunde eher verlassen, hätte es noch geklappt. Jetzt musste er sich bis zum nächsten Tag gedulden. Er bedauerte das nicht nur wegen der zu erwartenden Neuigkeiten über die Klinik. Wieder ein verlorener Tag, an dem ich nichts erreicht habe – weder beruflich noch als Hobbydetektiv. Es wird Zeit, dass ich mir eine Freundin zulege,
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