Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
plötzlich für östliche Heilslehren interessiert und ist an diesen Guru geraten. Er muss ihr den Schwachsinn von der Ausbeutung der Armen durch Menschen wie meinen Mann eingeredet haben.“
„Um noch einmal auf die Beziehung Ihres Mannes mit Frau Wächter zurückzukommen. Sie wussten davon nichts, sagten Sie?“
Frau Baumgart reagierte gereizt. „Weshalb kauen Sie ständig darauf herum? Ich wusste wirklich nichts davon, auch weil es nichts zu bedeuten hatte. Es war nicht das erste Mal, dass mein Mann fremdgegangen ist. Verlassen hätte er mich niemals. Mein Mann war sehr christlich eingestellt. Für ihn war die Ehe ein Sakrament. Er hätte sich nie scheiden lassen.“
Bevor Verena weitere Fragen stellen konnte, wurde die Wohnzimmertür weit aufgerissen. Die Haushälterin wirkte aufgeregt. „Herr Lentz hat gerade angerufen. Die Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Neu-Delhi hat Ihre Tochter in einem Yogazentrum in Delhi aufgespürt. Man hat sie inzwischen verständigt, sie sitzt bereits im Flieger und wird morgen früh gegen zehn Uhr am Flughafen in Frankfurt eintreffen. Soll ich Anton Bescheid sagen, damit er sie abholt?“
Frau Baumgart wirkte plötzlich aufgeregt. Verena und die unangenehmen Fragen waren vergessen. „Gott sei Dank, sie kommt zur Beerdigung. Ja, geben Sie Anton Bescheid, damit er rechtzeitig losfährt. Und vergessen Sie nicht, den Tierarzt noch für heute zu bestellen. Ich möchte, dass Heiko von Heidewald nicht mehr da ist, wenn meine Tochter eintrifft. Sie hängt an dem Tier und wäre nicht damit einverstanden, dass er eingeschläfert wird.“
Fast war Verena versucht, den Hund mit dem adeligen Namen mitzunehmen und ins Tierheim zu bringen. Aber sie hatte auch so schon genug Probleme am Hals.
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H ANNOVER , L ANDTAG
Die Tagesordnung der vierten Plenarsitzung der siebzehnten Wahlperiode ließ Langeweile erwarten. Wagners böse Vorahnung sollte sich bewahrheiten, er hatte Mühe, wach zu bleiben. Die Debatten über eine nachhaltige Gänsehaltung in Niedersachsen und eine Reform der Schifffahrtsverwaltung waren alles andere als prickelnd. Das galt auch für die nachfolgenden Tagesordnungspunkte, die Neufassung des Geodatengesetzes und des Münzgesetzes. Kein Wunder also, dass die meisten Abgeordneten den Plenarsaal verlassen hatten und sich im Foyer tummelten, wo sie Kaffee tranken oder in Grüppchen zusammenstanden und angeregt plauderten.
Der noch immer nicht aufgeklärte Doppelmord bot weitaus interessanteren Gesprächsstoff. Spekulationen über mögliche Täter und Mordmotive machten die Runde. Auch die Frage, ob Marion Klaßen eine heiße Sexaffäre mit ihrem inzwischen geschassten Assistenten gehabt hatte, bewegte viele Abgeordnete.
Wagner, der dank Pietros Enthüllungen zu Marion Klaßen einiges hätte beisteuern können, musste im Plenarsaal bleiben. Die Fraktionsvorsitzende hatte ihn dazu verdonnert, im Namen der Fraktion zum Geodatengesetz zu reden.
Die wenigen Abgeordneten, die im Plenarsaal saßen, hörten den Ausführungen des für das Gesetz zuständigen Wirtschaftsministers nicht zu. Sie lasen Zeitung, beantworteten Mails oder surften im Internet. Wagner konnte es ihnen nicht verdenken. Dann ermahnte Kollege Römermann, der als Vizepräsident die Plenarsitzung leitete, den Wirtschaftsminister, seinen Beitrag zu beenden. Die ihm zustehende Redezeit war seit dreißig Sekunden abgelaufen. In dieser Hinsicht ließen die Präsidenten kein Pardon zu.
Wagner war als Nächster an der Reihe. Er ließ ganze Textteile des Redemanuskriptes aus, um die Prozedur abzukürzen. Aber das schien niemand zu bemerken. Im Gegenteil, es sorgte für Erleichterung, da Wagner, kaum war er ans Rednerpult getreten, es auch wieder verließ. Rechtzeitig zur Abstimmung strömten die Abgeordneten, durch eine laute Klingel gewarnt, wieder in den Plenarsaal. Die Abstimmung war kaum beendet, da sprangen sie erneut von ihren Sitzen auf, um in Richtung Ausgang zu stürmen. Dieses Mal war Wagner mit von der Partie.
Die Zeit bis zur nächsten Abstimmung wollte er nutzen, um seine eingegangenen Mails zu checken. Er hoffte auf Neuigkeiten von Bianca Fröhlich. Aber leider war nichts dabei, stattdessen eine Nachricht von Frau Graf. Herr Hansen sei schwer beschäftigt, hätte aber am späten Vormittag Zeit für das von Wagner gewünschte Telefonat. Zudem deutete sie an, dass sie ihn gerne persönlich sprechen wolle. Eine streng vertrauliche Angelegenheit. Wagners Neugier war geweckt. Was mochte
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