Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Baumgart? Und mit seiner Geliebten? Haben Sie das inzwischen überprüft?“
Hirschmann nahm in letzter Zeit überraschend oft an den Lagebesprechungen teil. Verena vermutete, dass Karrieregründe dahinterstanden. Eine zügige Aufklärung der beiden spektakulären Mordfälle würde seinen weiteren Aufstieg begünstigen. Der stets gut informierte Flurfunk im LKA wusste zu vermelden, dass der Direktor mit dem Posten des Staatssekretärs im Innenministerium liebäugelte. Der jetzige ging demnächst in Pension.
„Frau Wächter trauert um Herrn Baumgart. Ihre Trauer ist echt. Sie leidet sogar an Depressionen. Und abgesehen davon, dass Frau Baumgart für den zweiten Mord ein Alibi hat – sie hat zur fraglichen Tatzeit an einem Bridgeturnier teilgenommen –, kommt sie meiner Meinung nach auch nicht infrage. Falls sie es doch war, hätte sie den Oscar verdient. Und Baumgarts Tochter befand sich zum Zeitpunkt des Mordes in Delhi, sie sitzt in diesem Moment im Flieger Richtung Deutschland.“
Hirschmann ließ nicht locker. „Dass sie selbst zur Waffe gegriffen hat, habe ich auch nicht vermutet.“
„Wir haben das längst überprüft, es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sie einen Auftragsmörder verdingt hat“, stellte Verena klar.
Erneut hakte Hirschmann nach. „Was ist mit weiteren Verwandten? Nichten, Neffen, Geschwister? Kennen wir das Testament schon?“
Drei Fragen auf einmal. Er nervte! Verena schüttelte den Kopf. „Rechtsanwalt Hackmann hat mich angerufen. Das Testament soll erst eröffnet werden, wenn die Tochter zurück ist. Er deutete aber an, dass der Großteil des Vermögens in eine Stiftung fließt und die Einnahmen daraus ihr und der gemeinsamen Tochter zufließen. Frau Baumgart hat sich mir gegenüber ähnlich geäußert. Was sie allerdings nicht weiß, ist, dass ihr Gatte sein Testament kürzlich geändert und weitere Begünstigte aufgenommen hat.“
Diese Mitteilung sorgte für Unruhe im Raum. „Vermutlich trägt die Begünstigte den Namen Wächter“, unkte Hetzel.
Der Direktor war aus einem anderen Grund aufgebracht. „Schon wieder dieser Hackmann“, ätzte er. „Man sollte meinen, es gibt keinen anderen Rechtsanwalt in dieser Stadt. Im Mordfall Uwe Stein hatte er auch seine Finger im Spiel und bei den Staatskanzleimorden hat er sich über uns beschwert, genauer gesagt über Sie, Frau Kollegin, weil Sie eine Mandantin von ihm zu Unrecht festgenommen hatten.“
Verena verzichtete auf eine Richtigstellung. Hirschmann selbst war davon überzeugt gewesen, dass die zu Unrecht Beschuldigte die Täterin war. Sie brachte ein anderes Thema ins Spiel. „Was hast du über den Mann herausgefunden, der Baumgart vor seinem Haus bedroht hat? Heidkamp, nicht wahr?“, fragte sie ihre Assistentin.
Frau Schramm, heute ganz in Gelb, gelber Rock, gelbe Pumps und ein viel zu enger gelber Pullover, unter dem sich ihr BH-loser Busen abzeichnete, gab Auskunft: „Martin Heidkamp war Inhaber eines Unternehmens für Armaturen, das pleitegegangen ist. Seither ist er wie vom Erdboden verschluckt. Er hat sich auf diese Weise einer Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer entzogen. Im Februar 2010 hat er bei der Lufthansa ein einfaches Flugticket nach Prag gebucht, es dann aber wieder storniert. Die Pensionswirtin, bei der er zuletzt gemeldet war, meinte, dass er ausgewandert sei. Wohin wusste sie nicht.“
Pieper bestätigte zwischen zwei Hustenattacken, dass seine Nachfrage im Wirtschaftsdezernat nichts anderes zutage gefördert hatte. Der Mann war spurlos verschwunden.
„Vielleicht hat er den Zug nach Prag genommen. Tschechien gehört zur EU. Das ist kein rechtsfreier Raum. Es gibt Meldepflichten für Bürger, die sich dort niederlassen. Hast du bei der deutschen Botschaft nachgefragt?“, vergewisserte sich Verena.
Frau Schramm hatte mit dem Servicedienst der Konsularabteilung telefoniert. „Sie führen eine sogenannte Deutschenliste. Heidkamps Name ist dort nicht registriert. Das müsse aber nichts heißen, meinte die Dame vom Konsulat. Die Registrierung wird empfohlen, gezwungen wird man aber nicht.“
„Wer sagt denn, dass der Mann überhaupt nach Prag gereist ist? Und selbst wenn, wissen wir nicht, ob er auch dortgeblieben ist. Er kann sich genauso gut in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassen haben. Innerhalb der EU besteht Niederlassungsfreiheit“, gab Pieper mit heiserer Stimme zu bedenken. „Vielleicht liegt er jetzt am Strand von Andalusien und lässt sich die Sonne auf den
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