Die Kapuzinergruft
erfolglos zu erklären bemühte. Seitdem Herr von Stettenheim als dritter Teilhaber in unsere »Jolan-Werkstätte« eingetreten war, betrachteten mich mein Schwiegervater und die Frau Professor als eine störende Erscheinung, ein Hindernis auf dem Weg des Kunstgewerbes, zu jeder nützlichen Leistung unfähig und keinesfalls würdig, in die künstlerischen und geschäftlichen Pläne unserer Firma eingeweiht zu werden. Ich war lediglich noch der Ehemann Elisabeths.
Herr von Stettenheim entwarf Prospekte in allen Weltsprachen und verschickte sie auch in alle Weltrichtungen. Und je spärlicher die Antworten einliefen, desto hitziger wurde sein Eifer. Die neuen Vorhänge kamen, nach zwei zitronengelben Stühlen, ein Sofa, zitronengelb, mit schwarzen Zebrastreifen, zwei Lampen mit sechswandigen Schirmen aus japanischem Papier und eine Landkarte aus Pergament, auf der alle Länder und Städte durch Stecknadeln kenntlich gemacht wurden alle, auch jene, die unsere Firma nicht belieferte.
An den Abenden, an denen ich Elisabeth abholte, sprachen wir weder von Stettenheim noch von der Frau Professor Jolanth Szatmary, noch vom Kunstgewerbe. Es war zwischen uns ausgemacht. Wir verlebten süße, satte Frühlingsnächte. Kein Zweifel: Elisabeth liebte mich. Ich hatte Geduld. Ich wartete. Ich wartete auf den Augenblick, in dem sie mir aus freien Stücken sagen würde, dass sie ganz zu mir wollte. Unsere Wohnung im Parterre wartete.
Meine Mutter fragte mich niemals nach den Absichten Elisabeths. Von Zeit zu Zeit ließ sie einen Satz fallen wie zum Beispiel: »Sobald ihr eingezogen seid«; oder: »Wenn ihr bei mir wohnt«; und derlei.
Ende des Sommers stellte es sich heraus, dass unsere »Jolan-Werkstätten« gar nichts eintrugen. Außerdem hatte mein Schwiegervater mit den »vielen Eisen im Feuer« kein Glück gehabt. Er hatte auf Mark spekuliert, durch die Vermittlung des Herrn von Stettenheim. Die Mark fiel. Ich sollte eine zweite, weit höhere Hypothek auf unser Haus aufnehmen. Ich sprach mit meiner Mutter, sie wollte nichts davon wissen. Ich erzählte es meinem Schwiegervater. – »Du bist unfähig, ich hab's immer gewusst«, sagte er. »Ich werde selbst hingehn.«
Er ging zu meiner Mutter, nicht allein, sondern mit dem Herrn von Stettenheim. Meine Mutter, die vor fremden Menschen Angst und sogar Abscheu empfand, bat mich zu warten. Ich blieb also zu Hause.
Das Verwunderliche ereignete sich, der Herr von Stettenheim gefiel meiner Mutter. Während unserer Verhandlung, in unserm Salon, glaubte ich sogar zu bemerken, wie sie leise Ansätze machte, sich vornüber zu beugen, wie um seine reichlichen und überflüssigen Redensarten deutlicher zu vernehmen. – »Charmant!« sagte meine Mutter. »Charmant!« wiederholte sie ein paarmal, und zwar bei den gleichgültigsten Phrasen des Herrn von Stettenheim. Er, auch er, hielt einen Vortrag über das Kunstgewerbe im allgemeinen, die Erzeugnisse der »Jolan-Werkstätten AG« im besonderen. Und meine gute, alte Mutter, die gewiß auch jetzt noch ebensowenig von dem Kunstgewerbe begriff wie vor langer Zeit nach dem Vortrag Elisabeths sagte immer wieder: »Jetzt versteh' ich, jetzt versteh' ich, jetzt versteh' ich!«
Herr von Stettenheim besaß den Geschmack zu sagen: »Das Ei des Kolumbus, gnädige Frau!« – Und wie ein Echo wiederholte meine Mutter gehorsam: »Das Ei des Kolumbus! – Wir nehmen noch eine zweite Hypothek auf.«
Unser Advokat Kiniower wehrte sich zuerst. »Ich warne Sie!« sagte er. »Ein aussichtsloses Geschäft. Ihr Herr Schwiegervater, ich weiß es, hat gar kein Geld mehr. Ich habe mich erkundigt. Dieser Herr von Stettenheim lebt von den Darlehen, die Sie aufnehmen. Er behauptet, am Tattersall im Berliner Tiergarten beteiligt zu sein. Mein Berliner Kollege teilt mir mit, daß es nicht wahr ist. So wahr ich ein Freund Ihres seligen Vaters war: Ich sage Ihnen die Wahrheit. Die Frau Professor Jolanth Szatmary ist ebensowenig Professor wie ich. Sie hat keine von den Wiener oder Budapester Akademien jemals besucht. Ich warne Sie, Herr Trotta, ich warne Sie.«
Der »Jude« hatte kleine, schwarze, tränende Augen hinter dem schiefen Zwicker. Die eine Hälfte seines grauen Schnurrbarts war aufwärts gezwirbelt, die andere hing trostlos hinunter. Also äußerte sich gewissermaßen sichtbar die Zwiespältigkeit seines Wesens. Er war imstande, nach einer längeren, düsteren Rede, in der er von meinem sicheren Untergang gesprochen hatte, plötzlich mit dem Ruf zu
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