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Die Kapuzinergruft

Die Kapuzinergruft

Titel: Die Kapuzinergruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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Aber der Herr Xaver verstand. Er wandte sich um und sagte: »Ein Jakobiner ist mein Sohn.« Hierauf knallte er mit der Peitsche. Es war, als hätte er sich selbst Bravo geklatscht, wegen seiner geschichtlichen Bildung.
    Meine Mutter wurde überhaupt von Tag zu Tag ungerechter, besonders seit dem Tage, an dem ich die Hypothek aufgenommen hatte. Kunstgewerbe, Elisabeth, die Frau Professor, kurze Haare, Tschechen, Sozialdemokraten, Jakobiner, Juden, Büchsenfleisch, Papiergeld, Börsenpapiere, mein Schwiegervater: dies alles waren die Gegenstände ihrer Verachtung und ihrer Gehässigkeit. Unser Advokat, der Doktor Kiniower, der ein Freund meines Vaters gewesen war, hieß, der Einfachheit halber der Jude. Unser Dienstmädchen war die Jakobinerin. Der Hausmeister war ein Sansculotte, und Frau Jolanth Szatmary hieß Keczkemet schlechthin.
    Eine neue Persönlichkeit tauchte in unserem Leben auf, ein gewisser Kurt von Stettenheim, geradewegs aus der Mark Brandenburg gekommen und um jeden Preis entschlossen, das Kunstgewerbe in der Welt zu verbreiten. Er sah aus wie einer jener Männer, die man heutzutage gutrassig nennt. Man versteht darunter eine Mischung von internationalem Tennismeister und landschaftlich zu fixierendem Rittergutsbesitzer, mit einem leichten Einschlag von Ozean oder Reederei. Derlei Menschen kommen aus dem Baltikum, aus Pommern, aus der Lüneburger Heide gar. Wir hatten verhältnismäßig noch Glück. Unser Herr von Stettenheim kam nur aus der Mark Brandenburg.
    Er war groß und sehnig, blond und sommersprossig, er trug den unvermeidlichen Schmiß an der Stirn, das Kennzeichen der Borussen, und das Monokel so wenig selbstverständlich, daß man es nur noch selbstverständlich nennen konnte. Ich selbst gebrauche zuweilen ein Monokel, der Bequemlichkeit halber, ich bin zu eitel, um eine Brille zu tragen. Allein es gibt Gesichter aus Pommern, aus dem Baltikum, aus der Mark Brandenburg, in denen das Monokel den Anschein erweckt, ein drittes überflüssiges Auge zu sein, keine Hilfe dem natürlichen Aug', sondern dessen gläserne Maske. Wenn der Herr von Stettenheim das Monokel einklemmte, sah er so aus wie die Frau Professor Jolanth Szatmary, sobald sie eine Zigarette anzündete. Wenn Herr von Stettenheim sprach oder gar wenn er sich ereiferte, lief sein Kainsschmiß auf der Stirn blutrot an; und der Mann ereiferte sich überflüssig. Denn in einem verwunderlichen Gegensatz zu seinem Eifer standen die Worte, mit denen er ihn ausdrückte, wie zum Beispiel: »Also, ich kann Ihnen sagen, ich war einfach starr«; oder: »Ich sage immer: nur nicht verzweifeln«; oder: »Ich wette zehn zu eins und gebe Ihnen meine Hand darauf!« Und dergleichen mehr. Offenbar hatte unsere Hypothek meinem Schwiegervater nicht genügt. Herr von Stettenheim versprach, sich am Atelier Elisabeth Trotta reichlich zu beteiligen. Ein paarmal brachte uns mein Schwiegervater zusammen. Hatte er doch, eben wegen der Hypothek, mich in das Kunstgewerbe endlich »hineingenommen!« Mußte er mich doch zumindest unserm dritten Kompagnon vorstellen. – »Ich kenne einen Grafen Trotta!« rief Herr von Stettenheim, nachdem wir kaum die ersten zwei Sätze gewechselt hatten. – »Sie irren«, sagte ich, »es gibt nur baronisierte Trottas; wenn sie noch leben!« – »Gewiß, entsinne mich, war Baron, der alte Oberst.« – »Sie irren sich noch«, sagte ich. »Mein Onkel ist Bezirkshauptmann.« – »Bedaure!« erwiderte Herr von Stettenheim. Und sein Schmiß lief blutrot an.
    Herr von Stettenheim hatte die Idee, unsere Firma »Jolan-Werkstätte« zu nennen. So wurde sie auch im Register eingetragen. Elisabeth zeichnete fleißig, sooft ich ins Büro kam. Sie zeichnete unbegreifliche Sachen, wie zum Beispiel neunzackige Sterne auf den Wänden eines Oktaeders oder eine zehnfingerige Hand, die in Achat ausgeführt und der »Segen Krishnamurtis« heißen sollte; oder einen roten Stier auf schwarzem Grund, der »Apis« hieß, ein Schiff mit Dreiruderern, das »Salamis« genannt wurde, und eine Schlange als Armband, namens Kleopatra. Die Frau Professor Jolanth Szatmary hatte diese Einfälle, diktierte ihr diese Pläne. Im übrigen herrschte zwischen uns beiden die düsterkeitsschwangere, hassträchtige, konventionelle Freundlichkeit, auf deren Grund unserer beider Eifersucht ruhte. Elisabeth liebte mich, ich war dessen gewiss, Angst hatte sie vor der Frau Professor Jolanth, eine jener Ängste, die sich die moderne Medizin mit Erfolg zu definieren und

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