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Die Kapuzinergruft

Die Kapuzinergruft

Titel: Die Kapuzinergruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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war sie.
    Ja! Das Bett wird ein verschwiegenes Haus mitten im sichtbaren, offenen Hause, und die Frau, die uns darin erwartet, wird geliebt, einfach, weil sie da ist und vorhanden. Da ist sie und vorhanden, zu jeder Nachtzeit, wann immer man auch nach Hause kommt. Infolgedessen liebt man sie. Man liebt das Sichere. Man liebt insbesondere das Wartende, das Geduldige.
    Wir hatten jetzt zehn Telephonapparate in unserm Haus und etwa ein Dutzend Klingeln. Ein halbes Dutzend Männer in blauen Blusen arbeitete an unseren Wasserleitungen. Für alle Installationen und für den Umbau unseres Hauses streckte der Doktor Kiniower das Geld vor. Für meine Mutter war er längst nicht mehr der Jude schlechthin. Er war zum »braven Menschen« avanciert.
    Im Herbst bekamen wir einen unerwarteten Besuch: Es war mein Vetter Joseph Branco. Er kam des Morgens, genauso, wie er zum erstenmal eingetroffen war, und so, als ob gar nichts in der Zwischenzeit geschehen wäre; als hätten wir keinen Weltkrieg überstanden; als wäre er nicht mit Manes Reisiger und mir in der Gefangenschaft, bei Baranovitsch und später im Lager gewesen; als wäre unser Land nicht zerfallen: so kam er an, mein Vetter, der Maronibrater, mit seinen Kastanien, mit seinem Maulesel, schwarz von Haaren und Schnurrbart, braun von Angesicht und dennoch goldig leuchtend wie eine Sonne, wie jedes Jahr und als ob nichts geschehen wäre, war Joseph Branco hierhergekommen, um seine gebratenen Kastanien zu verkaufen. Sein Sohn war gesund und munter. Er ging in Dubrovnik zur Schule. Die Schwester war glücklich verheiratet. Der Schwager war seltsamerweise nicht gefallen.
     
    Sie hatten zwei Kinder, zwei Buben: Zwillinge; und beide hießen sie, der Einfachheit halber: Branco.
    Und was mit Manes Reisiger geschehen sei, fragte ich. – »Ja, das ist eine schwere Sache«, antwortete mein Vetter Joseph Branco. »Er wartet unten, er wollte nicht mit heraufkommen.«
    Ich lief hinunter, um ihn zu holen. Ich erkannte ihn nicht sofort: Er hatte einen eisgrauen, wilden Bart. Er sah so aus wie der Winter, dargestellt in primitiven Märchenbüchern. Warum er nicht sofort heraufgekommen sei, fragte ich ihn. »Seit einem Jahr schon, Herr Leutnant«, antwortete er, »wollte ich Sie besuchen. Ich war in Polen, in Zlotogrod. Ich wollte wieder der Fiaker Manes Reisiger werden. Aber, was ist die Welt, was ein Städtchen, was ein Mensch, was gar ein Fiaker gegen Gott? Gott hat die Welt verwirrt, das Städtchen Zlotogrod hat er vernichtet. Krokus und Gänseblümchen wachsen dort, wo unsere Häuser gestanden haben, und meine Frau ist auch schon tot. Eine Granate hat sie zerrissen; wie andere Zlotogroder auch. Also bin ich nach Wien zurückgekommen. Hier ist wenigstens mein Sohn Ephraim.«
    Jawohl! Sein Sohn Ephraim! Ich erinnerte mich wohl an den Wunderknaben und wie ihn Chojnicki in die Musikakademie gebracht hatte.
    »Was macht er jetzt?« fragte ich Manes, den Fiaker.
    »Mein Ephraim ist ein Genie«, antwortete der alte Fiaker. »Er spielt nicht mehr! Er hat es nicht nötig, sagt er. Er ist Kommunist. Redakteur der ›Roten Fahne›. Er schreibt prächtige Artikel. Hier sind sie.«
    Wir gingen in mein Zimmer. Der Fiaker Manes Reisiger hatte alle Artikel seines genialen Sohnes Ephraim in der Tasche, einen ansehnlichen Packen. Er verlangte von mir, daß ich sie ihm vorlese. Ich las einen nach dem andern mit lauter Stimme vor. Elisabeth kam aus dem Zimmer, später versammelten sich bei mir, wie gewöhnlich an jedem Nachmittag, auch unsere Pensionäre, meine Freunde. – »Ich darf eigentlich nicht in Wien bleiben«, sagte Manes Reisiger. »Ich habe eine Ausweisung.« – Sein Bart spreizte sich, sein Angesicht leuchtete. – »Mein Sohn Ephraim hat mir einen falschen Paß verschafft. Hier ist er.« – Er zeigte dabei seinen falschen österreichischen Paß, strich sich mit den Fingern durch den Bart und sagte: »Illegal!« und blickte stolz in die Runde.
    »Mein Sohn Ephraim«, begann er wieder, »braucht nicht mehr zu spielen. Er wird Minister, wenn die Revolution kommt.«
    Er war so überzeugt, daß die Weltrevolution kommen würde, wie von der Tatsache, daß jede Woche im Kalender ein rotgedruckter Sonntag verzeichnet stand.
    »In diesem Jahr sind die Kastanien schlecht geraten«, sagte mein Vetter Joseph Branco. »Auch sind viele wurmig. Ich verkaufe jetzt gebratene Äpfel als Maroni.«
    »Wie seid ihr überhaupt herausgekommen?« fragte ich.
    »Gott hat geholfen!« erwiderte der Fiaker Manes

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