Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Deckenfresken in den letzten Wochen fertig gestellt worden: ein Zyklus der Allegorien der Dialektik, Grammatik und Rhetorik, der Musik, Arithmetik und Geometrie sowie der Astrologie – die mir ein wenig wie eine Alchemistin aussah …
»Welch eine Schönheit!«, hörte ich hinter mir eine Stimme.
Ich fuhr herum. In der offenen Tür zu seinem Schlafzimmer stand Papst Alexander. Er hatte sich umgezogen und trug nicht, wie üblich, die weiße Soutane aus schwerem Brokatstoff und die rote Mozzetta aus Samt und Hermelin, sondern eine dunkelblaue Atlasjacke mit elegantem Stehkragen. Auch ohne die weiße Soutane war er eine majestätische Erscheinung.
Ich dachte, er bewunderte die Schönheit der allegorischen Figuren an der Decke und lächelte zustimmend. Dass er mich meinen könnte, kam mir zuerst nicht in den Sinn.
»Wie schön, dass du gekommen bist«, freute er sich und führte mich an der Hand in den nächsten Saal. Die Sonne war vor einer Stunde untergegangen, dutzende von Kerzen tauchten den Raum in ein goldenes Licht.
»Wo sind die anderen Gäste?«, fragte ich. Als ich den gedeckten Tisch sah, blieb ich stehen.
»Es wird niemand mehr kommen«, sagte er. »Es ist Zeit, dass wir beide uns allein unterhalten. Ohne Julia. Und ohne César.«
Ich gestehe: Ich war aufgeregt, als ich am Tisch Platz nahm und wartete, bis er sich mir gegenüber niedergelassen und umständlich seinen Sessel an den Tisch gerückt hatte. Was hatte er vor? Was erwartete er von mir? Ich hatte mich bei ihm immer noch nicht bedankt für die Aufhebung der Exkommunikation von
Giovanni …
»Du fragst dich sicher«, begann er, während er mir einen köstlich duftenden Montepulciano einschenkte, »warum ich dich heute Abend hergebeten habe.«
Ich nickte still, ohne seine Hand mit der Glaskaraffe aus den Augen zu lassen. Ich fragte mich auch, warum wir allein waren. Wieso war nicht einmal ein Diener anwesend?
Er schenkte sich selbst den Becher voll und lehnte sich auf seinem Sessel zurück, bevor er mir offenbarte: »Ich wollte dich um einen Rat bitten.«
»Um einen Rat, Heiliger Vater? Aber ich kann Euch nicht …«
»Hör auf, Catalina! Ich bezahle Monsignor Burkhard ein Vermögen, damit er mir die Laune verdirbt.«
»Ich erbitte Eure Verzeihung. Ich wollte mir nicht anmaßen …«
»Morgen werde ich César zum Kardinal machen«, unterbrach er mich. »Seine Ernennung hat im Kardinalskollegium große Aufregung verursacht. Als mein lieber Freund Giuliano della Rovere die Neuigkeit erfuhr, tobte er vor Zorn.«
»Kardinal della Rovere ist sehr temperamentvoll«, verteidigte ich meinen ehemaligen Verbündeten.
»Er ist furchtbar wütend. Er nannte Alessandro Farneses Ernennung zum Kardinal skandalös und bedachte Julias Bruder mit einer wenig schmeichelhaften Beleidigung. Noch weniger Gefallen fand der gute Giuliano an der Ernennung von Ippolito d’Este, dem Sohn des Herzogs von Ferrara, und der Nominierung von John Morton, dem Erzbischof von Canterbury. Meine Überlegungen, um des lieben Friedens willen König Charles’ Kanzler Guillaume Briçonnet, Erzbischof von Saint-Malo, zum Kardinal zu machen, hat er auf das Schärfste verurteilt. Stell dir vor, er hat sich im Konsistorium auf ein Wortgefecht mit mir eingelassen und sich mit einer Hand voll aufsässiger Kardinäle gegen mich verbündet. Ich versprach ihm in meinem Zorn, noch einmal so viele Kardinäle zu nominieren, falls er die Liste der Ernennungen nicht unterschreibt.«
»Was hat er darauf erwidert?«, fragte ich gespannt. Giuliano della Rovere war ein ernst zu nehmender Gegner.
»Nichts. Er hat unterschrieben, nachdem Giovanni de’ Medici eine Viertelstunde lang auf ihn eingeredet hat. Danach hat er sich grollend in seine Festung nach Ostia zurückgezogen.« Papst Alexander beobachtete mich über seinen Weinbecher hinweg. »Glaubst du, dass es klug von mir war, ihn zu verärgern?«
Wieso fragte er mich das? Bedächtig stellte ich meinen Becher auf den Tisch zurück, um Zeit zu gewinnen. »Ich denke, dass das Kardinalskollegium …«
»Wenn ich die offizielle Meinung des Kardinalskollegiums erfahren will, werde ich im Konsistorium danach fragen«, unterbrach er mich. »Wenn ich wissen will, was die Kardinäle wirklich denken, befrage ich den allwissenden Johannes Burkhard. Und wenn ich deine Meinung hören will, Cardinala, dann frage ich dich .«
Ich schnappte nach Luft. Also kannte er die Verse am Pasquino!
»Nein, Heiliger Vater, es war auf den ersten Blick nicht klug
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