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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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»Oder schleudert Ihr mir ein ›Verschwinde, Satan!‹ entgegen?«
    »Falls Piero und Giulio Euch zu mir geschickt haben, um mich zur Vernunft zu bringen, ist Euer Besuch sinnlos«, klärte ich ihn auf. Seine Anspielung auf einen Pakt mit Satan ignorierte ich nach meinem Briefwechsel mit Johannes Trithemius großzügig. Dieser durch die Jahrhunderte abgenutzte Vorwurf war schon Papst Silvester gemacht worden.
    »Ich bin gekommen, um das Feuer zu löschen«, offenbarte er mir und schloss die Tür hinter sich. Dann trat er neben mich, so nah am Athanor, dass sein Dominikanerhabit beinahe Feuer fing, und starrte in die Flammen.
    Sein hageres, durch jahrelange Askese ausgezehrtes Gesicht schien im hellen Feuerschein von innen zu leuchten. Die schwarzen Augen funkelten hart und kalt, nicht mehr wie Funken sprühende Lava. Der Frater war beherrschter geworden, besonnener. War die Flamme des heiligen Zorns erloschen, die Florenz unter Androhung von Höllenqualen zu Buße und Umkehr gerufen hatte? Nein, sie glühte wie Lava unter der schneebedeckten Oberfläche des Vulkans, fraß sich heiß in sein Inneres hinein, zerschmolz ihn von innen her, bis er dem furchtbaren Druck nicht mehr widerstehen konnte. Wie gut ich dieses Gefühl kannte: Den Druck von innen nicht mehr aushalten zu können, ohne Funken zu sprühen, ohne zu explodieren. Noch ein Werkstück Gottes, das Seine Schläge hinnimmt, dachte ich, als ich den Frater betrachtete.
    Er war also gekommen, um das Feuer zu löschen? Er meinte nicht das Feuer des Athanors. Wie das glühende Elektrum im Alambic war ich seit meiner Flucht aus Rom durch das Fegefeuer gegangen. Meine Seele brannte. Er hatte es bemerkt. Er war gekommen, um mir zu helfen.
    »Das Feuer kann nicht gelöscht werden, bevor alles verbrannt ist, Frater«, sagte ich leise. »Hat nicht der Prophet Jesaja gesagt, dass der Mensch durch das innere Feuer – das Gewissen – bestraft wird: ›Geht hin in das Licht eures Feuers und in die Glut der Flammen, die ihr euch selbst angezündet habt‹?«
    Ich hatte das Feuer auf dem Scheiterhaufen meiner Schuld selbst entzündet, in dem ich nun langsam ausbrannte.
    »Wollt Ihr beichten, Caterina?«, bot er mir sanft an.
    Wie ich dieses Priesterlächeln hasste, dieses überhebliche Lächeln, die von Gott verliehene Macht zu besitzen, Sünden zu vergeben! Dieses herablassende, anmaßende Belächeln meiner Seelenqual.
    »Ich habe nichts getan, was Ihr mir vergeben könntet«, wehrte ich ihn ab.
    Fra Girolamo lachte leise. »Aber offensichtlich habt Ihr etwas getan, das Ihr Euch selbst nicht vergeben könnt«, konterte er schlagfertig.
    Ich wandte mich von ihm ab und schürte das Feuer im Athanor: »Phoenix muss brennen …«
    »… um sich aus der eigenen Asche zu erheben?«, vollendete er meinen Satz. »Ihr lasst bei diesem Höllenfeuer ja nicht einmal genug Asche übrig, damit Phoenix wieder auferstehen kann. Gebt Euch selbst eine Chance, Caterina!«
    Als ich nicht antwortete, nahm er auf einem Faltstuhl vor dem Athanor Platz und ordnete umständlich seinen Habit und die schwarze Perlenschnur des Rosenkranzes, den er am Gürtel trug. Er faltete die Hände wie zum Gebet, stützte sein Kinn auf die gekreuzten Finger und beobachtete mich.
    »Was haben sie Euch in Rom angetan?«, fragte er in das Schweigen hinein.
    »Nichts«, antwortete ich, ohne mich zu ihm umzuwenden. »Nichts, was ich mir nicht selbst angetan habe.«
    »Giulio erzählte mir, dass Ihr aus Rom geflohen seid.« Er wollte mich zum Reden bringen. »Ihr habt Euch aus dem Vatikan geschlichen und seid zu Kardinal Giovanni geflohen. Im ersten Morgengrauen seid Ihr nach Ostia geritten und von dort mit dem Schiff nach Pisa gesegelt, weil Ihr befürchtetet, verfolgt zu werden. Giulio macht sich Sorgen, in welch aufgelöstem Zustand Ihr nach Florenz zurückgekehrt seid. Er kam heute Morgen vor der Messe besorgt zu mir.«
    Wie gut, dass auch Giulio nicht die ganze Wahrheit kannte!
    Ja, ich war in Ostia gewesen. Ja, ich hatte auf ein Schiff nach Pisa gewartet – aber nicht im Hafen, wie ich Giulio erzählt hatte, sondern in Giuliano della Roveres Festung. Was ich mit dem Kardinal zu besprechen hatte, ging weder Piero noch Giulio etwas an. Und von dem Sturm, der mein Schiff noch vor Pisa bis an die französische Küste bei Marseille abtrieb, wo die Galeone beinahe an den Klippen zerschellt wäre, hatte ich vorsichtshalber auch nichts erzählt. Die partielle Sonnenfinsternis am 10. Oktober 1493, dem Tag meiner Ankunft

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