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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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reiten. Ich gab der verstörten Ginevra Anweisung, meine Reisetruhen auf keinen Fall auszupacken und das Kästchen mit meinem Diamantschmuck, den Saphirringen und Perlen, für die Lorenzo vor drei Jahren ein Vermögen ausgegeben hatte, um aus mir eine Medici zu machen, sofort ins Laboratorium zu bringen.
    Ginevra war in Tränen aufgelöst, weil sie nicht begriff, was ich vorhatte – ob ich wohl gleich wieder abreisen wollte? – und weil sie diesen Kommandoton eines Condottiere von mir nicht gewohnt war. In einer ruhigen Minute hätte ich mich bei ihr entschuldigt, wenn ich dazu Gelegenheit gehabt hätte. Aber die Ereignisse überstürzten sich in den nächsten Tagen.
    Die Tränen, die mir über die Wangen liefen, wischte ich zornig mit dem Ärmel fort, als ich nach Fiesole aufbrach. Pieros Reaktion über meine überraschende Rückkehr »aus Sevilla« hatte mich entsetzt. Mein Bruder hatte mich angesehen, als sei sein innigster Wunsch, ich möge bei der Überfahrt ertrunken oder in Barcelona an meinen Intrigen erstickt sein, nicht in Erfüllung gegangen. Piero, der bei meiner Ankunft mit Gianni und Giulio im Garten Boccia spielte, hatte sich auch vor seinem Bruder und seinem Cousin nicht die geringste Mühe gegeben, seine zornige Verachtung und seinen Hass zu verbergen. In Giannis Blick las ich tiefe Betroffenheit über die unbeherrschte Reaktion seines Bruders.
    Im Palazzo Medici und in Florenz würde ich meines Lebens nicht mehr sicher sein! Nie mehr. Ich trug nun ständig einen Dolch bei mir, den ich in den weiten Falten der Ärmel meiner Kleider verbarg. Eine zweite Klinge steckte entweder unter dem Rock oder, wenn ich wie an diesem Tag als Cato de’ Medici gekleidet war, im ledernen Reitstiefel.
    Nicht einmal eine Stunde nach meiner Ankunft in Florenz war ich durch die Porta San Gallo nach Fiesole galoppiert.
    »Wie geht es Angelo?«, fragte ich Giovanni, als ich ihn in die Arme schloss. Er hatte nicht einmal die Kraft, sich gegen meine Zärtlichkeiten zu wehren.
    Angelo lag, in den Habit eines Dominikaners gekleidet, mit geschlossenen Augen und zum Gebet gefalteten Händen in seinem Bett. Hatte er überhaupt bemerkt, dass ich gekommen war?
    »Er hat den Lebenswillen verloren«, flüsterte Giovanni. »Angelo sehnt sich so sehr nach Lorenzo, nach seiner Liebe und nach Geborgenheit, dass er beschlossen hat zu sterben. Das Leben ist für ihn sinnlos geworden nach Lorenzos Tod.«
    Ich war betroffen: Angelo hatte sich in seinem Schmerz selbst aufgegeben. Er besaß die unglaubliche Kraft eines Genies, sich selbst zu erschaffen und am Ende zu zerstören!
    Sein Lebenslicht brannte herunter wie eine flackernde Kerze. Ich besuchte ihn jeden Tag, und es schmerzte mich zu sehen, wie er von Tag zu Tag schwächer wurde. Ich versuchte ihm Freude zu bereiten, indem ich ihm ein paar von Lorenzos Sonetten vorlas. Er lächelte glücklich – welche Seelenqualen musste ihn dieses Lächeln gekostet haben, das Giovanni und mich beruhigen sollte!
    Wie konnte ich denn ahnen, dass ich, statt Angelos Schmerz zu lindern, mit Lorenzos fröhlichen Versen sein Leiden an der Einsamkeit bis zur Unerträglichkeit verstärkte!

    Am 29. August 1494 begann König Charles mit seinem Heer von Grenoble aus mit der Überquerung der Alpen, die er wie vor ihm Hannibal überschritt – zwar ohne Kriegselefanten, aber mit einem ebenso Furcht erregenden Heer.
    Und ich versuchte wie der römische Held Scaevola, meine Stadt vor der Eroberung und Plünderung durch die heranrückenden Barbaren zu schützen, indem ich meine Hand ins Feuer hielt. Zähneknirschend ertrug ich den Schmerz der hitzigen Worte, mit denen mich meine Cousins Giannino und Lorenzino demütigten, als ich sie um Geld bat. Um sehr viel Geld. Zornig erinnerten sie mich daran, dass Piero sie mit Verbannung bedrohte, nachdem sie nach einem Streit mit Piero den Namen Medici abgelegt hatten – ein lächerlicher Streit, der die Bezeichnung Prügelei verdient hätte, aber von Piero der Signoria gegenüber ein Attentat genannt wurde. Ich versprach meinen Cousins, mich für sie einzusetzen. Ein höhnisches Lachen war die Antwort, aber ich gab nicht auf.
    Am 5. September, als Charles mit seinem Heer Turin erreichte, waren Giannino und Lorenzino auf dem Weg nach Cafaggiolo. Niccolò Machiavelli begleitete meine Cousins in ihre Villa außerhalb der Stadt. Unermüdlich bestürmte er mich, ich sollte ebenfalls Florenz verlassen – bis ich ihm zu schweigen gebot. Dabei hatte er wie immer Recht: Dies

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