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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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sollte ich überhaupt Fra Girolamo Savonarolas Predigten in San Marco hören? Der Augustiner Fra Mariano da Genazzano war ein Freund der Familie, und er predigte in San Lorenzo, der Kirche der Medici.
    »Weil du lernen sollst, Caterina.«
    » Was soll ich lernen, Angelo?«
    »Dich zu entscheiden: zwischen Wissen und Glauben, zwischen Verstand und Gefühl. Lorenzo will, dass du lernst, Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben.«
    »Welche Konsequenzen?«, fragte ich.
    »Dass dein Verhalten niemandem gefallen muss . Deine humanistische Bildung wird Savonarola zornig machen. Er wird dir mit dem siebten apokalyptischen Engel drohen. Er wird dir sagen, dass du verdammt bist, wenn du nicht glaubst. Und dein unreflektierter Glaube an einen Gott – welchen auch immer du dir erwählst – wird mich wütend machen.«
    »Dann werde ich also in jedem Fall verlieren«, stellte ich fest.
    »Nein, Caterina, du wirst gewinnen«, versprach mir Angelo. »Einer meiner Professoren hat mir einmal vorgeworfen, dass ich jahrelang Cicero studiert habe und mich immer noch nicht in seinem eleganten Latein ausdrücken kann. Ich habe ihm gesagt: ›Ich bin nicht Cicero!‹ Denn während ich ihn so genau studierte, habe ich gelernt, ich selbst zu sein.«

    Am späten Nachmittag, nach den Lehrstunden in Griechisch, Philosophie und Tanz, zeigte mir Giulio wie versprochen den Palazzo und stellte mich dem Majordomus Pier Luigi und Lorenzos Sekretär Filippo vor, den ich bereits vor meiner Audienz getroffen hatte. Einige der Bediensteten des Palazzo, die Pier Luigi und Filippo unterstanden – Kammerdiener, Sekretäre, Leibwächter –, würde ich im Lauf der nächsten Wochen kennen lernen, sobald mir Pier Luigi mein Gefolge zugeteilt hatte. Die Bemerkung des Majordomus nahm ich hin und machte mir keine Gedanken, was das für mich bedeuten könnte. Dass es sich bei meinem Gefolge um Menschen handelte, die mir Tag und Nacht folgten, wohin ich auch ging, die mich umsorgten und vor Attentaten beschützten, die von mir und meinen Launen abhängig waren und für die ich Verantwortung zu tragen hatte, wurde mir erst später bewusst.
    Nach dem Treffen mit dem Majordomus und Lorenzos Sekretär lernte ich Francesco Sassetti kennen, den Generaldirektor des Medici-Handelsunternehmens und Leiter der Banca Medici. Er kam aus seinem Kontor, um mir seine Aufwartung zu machen.
    Es war dieses Treffen mit Sassetti in der großen Loggia, das mir die Augen öffnete. Sassetti regierte das Finanzimperium der Medici. Er war einer der mächtigsten Männer von Florenz: Er gebot über ein Heer von Mitarbeitern, und durch seine Hände liefen täglich tausende von Fiorini, römischen Dukaten, venezianischen Zechinen und französischen Goldmünzen. Doch nicht ich bat um einen Termin bei Francesco Sassetti, sondern er kam zu mir, um sich mir vorzustellen.
    Langsam begann ich zu begreifen, was es bedeutete, eine Medici zu sein: Pflichten, Verantwortung und Disziplin! Der Reichtum der Medici war nicht vom Himmel gefallen, sondern war das Ergebnis der Anstrengungen von drei Generationen: Cosimo, Piero und Lorenzo. Ich, das schwor ich mir in diesem Augenblick, würde meinen Beitrag leisten.
    Nachdem Francesco Sassetti sich verabschiedet hatte – nicht ohne mich aus reiner Höflichkeit zu einem Besuch im Handelskontor einzuladen –, zeigte mir Giulio den Ostflügel des Palazzo mit der Antikensammlung, den Repräsentationsräumen und der Kapelle.
    »Angelo ist beeindruckt von deinen lateinischen Sprachkenntnissen«, verriet er, während wir nebeneinander durch die Loggia schritten, in der Lorenzos antike Skulpturen ausgestellt waren.
    »Waren das seine Worte?«, fragte ich. Giulio hatte kurz allein mit Angelo gesprochen, als er mich in der Bibliothek abholte, um mir den Palazzo zu zeigen.
    »Nicht genau. Er sagte, für die Weihe würde es reichen.«
    »Ich will nicht Priester werden«, lachte ich.
    »Ich schon«, gestand mir Giulio leise, während wir vor einem David aus Bronze stehen blieben. »Gianni wird nächstes Jahr sein Studium in Pisa beenden und als Kardinal nach Rom gehen. Ich würde ihn gern begleiten, um an der ehrwürdigen Universität zu studieren, aber es gibt in Rom derzeit keine Professoren für Theologie. Ist das nicht absurd? Rom ist das Zentrum der christlichen Welt, die Universität, an der sogar der große Thomas von Aquino gelehrt hat, liegt nicht einmal tausend Schritte vom Vatikan entfernt. Aber ich kann in Rom nicht Theologie studieren!

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