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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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seinen Vorschlag, dass du einen Sforza heiraten sollst. Gestern erst habe ich ihm gesagt, dass eine solche Ehe für mich nicht infrage kommt. Offensichtlich hat er nicht zugehört. Ebenso wenig wie du, Caterina.«
    »Ich?«
    »Gestern Abend habe ich erklärt, dass ich niemanden zwingen werde, eine Ehe einzugehen, die unerträglich ist. Meine Gemahlin Clarice Orsini und ich haben in den ersten Jahren unserer Ehe fast täglich gestritten – und was brachte mir das Bündnis mit den Orsini? Nichts als Ärger. Kämpfe im Bett, Streit beim Abendessen und Forderungen von unersättlichen Verwandten, die gern Geld ausgeben, das ihnen nicht gehört – wie Gian Giordano Orsini, Clarices unerträglicher Cousin –, und die nach Ämtern streben, die sie nicht in Würde ausfüllen können – wie der Erzbischof von Florenz, Rinaldo Orsini. Auf ›Familienbande‹, die meine Freiheit und Souveränität als Herr von Florenz einschränken, kann ich gern verzichten.«
    »Ich muss also nicht heiraten?«, fragte ich vorsichtig.
    »Nein«, beruhigte mich Lorenzo. »Nicht, bevor ich eine Medici aus dir gemacht habe.«

    Eine Medici zu sein – was Lorenzo darunter verstand, erklärte mir eine Stunde später Angelo Poliziano in der Bibliothek.
    Angelo war der Sohn eines berühmten Anwaltes aus der Stadt Montepulciano, der ermordet worden war, als er sich offen zu den Medici bekannt hatte. Lorenzos Vater hatte den jungen Angelo im Palazzo aufgenommen und ihn zusammen mit Lorenzo und Giuliano erziehen lassen. Seit jener Zeit waren Lorenzo und Angelo unzertrennlich. Während des Pazzi-Attentates im April 1478 hatte Angelo seinen Freund vor dem Tode bewahrt. Er hatte ihn in die Sakristei des Domes gedrängt, um ihn vor den Dolchen der Attentäter zu schützen, die meinen Vater Giuliano getötet hatten.
    Angelo war Mitte dreißig, Leiter der Bibliothek des Palazzo, Mitglied der Platonischen Akademie und seit elf Jahren Professor für lateinische und griechische Rhetorik und Poetik an der Universität von Florenz. Nebenbei unterrichtete er Lorenzos Kinder in der klassischen Sprache der Griechen und der lateinischen Dichtkunst, die er selbst wie kein anderer beherrschte. Fasziniert hatte ich als Zehnjährige sein berühmtes Gedicht La Giostra di Giuliano gelesen, ein Epos über das prunkvolle Turnier meines Vaters, mit dem er Simonetta Vespucci seine Liebe erklärte. Angelo war gerührt, als ich ihm gestand, wie sehr mich das Epos beeindruckt hatte.
    Und er war beeindruckt, als ich ihm erklärte, welche Bücher ich gelesen hatte und über welches Wissen ich mit fünfzehn Jahren bereits verfügte. Amerigo hatte keine Kosten und Mühen gescheut, die besten Lehrer für mich zu finden, die mich in Latein, Geschichte und den Naturwissenschaften unterrichtet hatten.
    Angelo erklärte mir seine Aufgabe, eine Medici aus mir zu machen, in kurzen, unpoetischen Worten. Italienische Dichtkunst: Dante Alighieri, Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio. Lateinische Sprache: Vergilius und Cicero. Griechische Grammatik: Homer und Pindar. Philosophie: die Griechen Platon und Aristoteles, dann die Römer Seneca und Marcus Aurelius. Naturwissenschaft: Ptolemaios und Plinius und später Ibn Sina. Römische Historie und die Geschichte der Republik Florenz als geistige Nachfolgerin der Res Publica Romana . Nicht zu vergessen: Französisch. Und als sei das alles noch nicht genug: Passamezzo und Pavane, Saltarello und Tarantella. Dass das nur der Lehrplan für das erste Jahr war, verriet er mir mit einem Lächeln erst am Ende seines Monologs.
    »Soll ich vielleicht auch noch die Evangelien auswendig lernen?«, rief ich mit gespielter Verzweiflung aus. Deo gratias hatte er den Gesangsunterricht und das Lautenspiel nicht erwähnt …
    Angelo Poliziano lehnte sich von seinem Lesepult zurück und lachte herzlich. »Nein, Caterina. Die Evangelien gehören nicht zu meinem humanistischen Lehrplan. Lorenzo hat beschlossen, dass du sonntags den Gottesdienst in San Marco besuchen sollst. Der Prior Savonarola wird dir in seinen Predigten mit zum Himmel erhobenen Fäusten wieder auszutreiben versuchen, was ich dir an heidnischen Ideen in den Kopf gesetzt habe.«
    »Warum soll ich die griechischen und römischen Philosophen lesen, wenn sie doch von Savonarola verdammt werden?«, fragte ich. »Und warum soll ich mir seine apokalyptischen Predigten anhören, wenn ich weiß, dass sie allem widersprechen, was die Naturwissenschaftler Plinius und Aristoteles gesagt haben?«
    Und warum

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