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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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mich schwören ließ, nichts zu tun, was mich in Gefahr bringen könnte. Ausgelassenheit: Ein Wortgefecht mit Guido, meine hingeworfenen Bemerkungen, die ihn zum Lachen bringen sollten, trotz seiner Schmerzen. Lebensfreude: Cesare und ich unbeschwert lachend im strömenden Gewitterregen über Pisa, als könnten uns Blitz und Donner nichts anhaben. Glückseligkeit: Giovannis Strahlen, als ich ihm die Aufhebung seiner Exkommunikation überreichte, dieses glückliche Lächeln, dieser zum Himmel gerichtete Blick, als er vor lauter Freude das päpstliche Breve wegwarf, um mich zu umarmen. Und Hoffnung: Lorenzos fröhliches »Quant’ è bella la giovanezza« und sein letztes Lächeln, bevor er starb.
    Es sind nicht die tiefen Augenblicke, die uns so kostbar sind. Nicht die turbulenten Kurswechsel unseres Lebens, nicht die quälenden Entscheidungen, ob wir handeln sollen oder nicht. Es sind nicht Hoffnungslosigkeit, Trauer und Zorn, es sind nicht einmal die Momente der Vergebung, an die wir uns erinnern. Es sind die glücklich lächelnden Lippen, die strahlenden Augen, die zarten Umarmungen und die leidenschaftlichen Küsse, nach denen wir uns in der Stunde des Todes zurücksehnen. Und die Liebe.
    Mein Leben war bis zur letzten Minute angefüllt mit diesen schönen Erinnerungen. Wenn alles gesagt und getan ist und kein Wunsch mehr offen bleibt, dann ist es Zeit zu gehen.
    Doch es gibt noch eine Sache, dachte ich, eine einzige, die ich gern herausfinden würde. Nur, um nicht im quälenden Zustand der Neugier zu sterben. Was wird geschehen, wenn ich an der Leine ziehe? Ich spürte das Band in meiner Hand, schloss die Finger um das im Wind flatternde Ende und zog daran.
    Ein Ruck ging durch meinen Körper, als etwas aus meinem Rucksack herausgerissen wurde. Ich wirbelte herum und sah überrascht nach oben: Über mir am Himmel entfaltete sich eine riesige Blüte aus roter Seide. Es war … Leonardos Fallschirm!

    Leonardo brauchte zwei Stunden, um vom Fels herabzusteigen und zu mir zu gelangen. Ich lag wie ein gefallener Engel im Schnee und starrte in den Himmel hinauf. Das Alleinsein tat sehr gut. Ich wollte gar nicht mit ihm reden.
    Worüber auch? Es war alles gesagt:
    »Geht es dir gut?«, hatte er gerufen.
    »Nein!«, hatte ich geantwortet.
    »Dann besteht ja noch Hoffnung«, hatte er lachend heruntergebrüllt und mit dem Abstieg begonnen.
    »Nein, es geht mir fantastisch«, hatte ich zu mir selbst gesagt, als ich mich in den Schnee zurücksinken ließ. »Und ich würde es jederzeit noch einmal tun!«
    Mit geschlossenen Augen lag ich im weichen Schnee und genoss die warme Nachmittagssonne, als Leonardo endlich neben mir auftauchte. Mit einem dramatischen Seufzer ließ er sich neben mich fallen.
    Ich richtete mich auf und sah auf ihn hinunter. »Leonardo?«
    »Mhm?«, antwortete er müde, ohne die Augen zu öffnen.
    »Danke für die danteske Lektion auf dem Berg, für den Stoß und für den Fall. Danke für die Erkenntnis, dass mein Leben noch einen Sinn hat. Und danke für deine Geduld, deine Vergebung und deine Liebe.«
    »Gern geschehen«, murmelte Leonardo. »Hör schon auf, bevor ich auf die Idee komme, dir auch zu danken: für die Erkenntnis, dass Hybris, die Selbstüberhebung des Menschen, und Nemesis, der unvermeidliche Sturz, untrennbar zusammengehören wie zwei Seiten eines Berges.« Er erhob sich und klopfte sich den Schnee von der Hose und den Stiefeln. »Lass uns verschwinden, Caterina. Dieser Berg ist die Hölle.«
    Ich sah zu ihm auf: »Und ich dachte, er wäre das Paradies.«

    Bei unserer Rückkehr nach Mailand Ende August – Leonardo und ich hatten einige unbeschwerte Sommertage am Lago Maggiore verbracht – erwartete mich ein Schreiben von Girolamo in meiner Wohnung im Palazzo Vecchio.
    Ungeduldig riss ich das Siegel ab und begann zu lesen, doch dann stutzte ich, hielt inne, wendete den Brief und starrte auf die Anschrift. Girolamo hatte sein Schreiben an Celestino gesandt. Aber wieso war der Brief in der Corte Vecchia abgegeben worden? Siedend heiß durchfuhr es mich: Wer hatte Kenntnis davon, dass Celestino und Caterina ein und dieselbe Person waren? Und noch beunruhigender: Wer wusste noch, dass die aus Florenz geflohene Caterina de’ Medici inkognito im Palazzo Vecchio von Mailand lebte? Meine Separatio und der Brand meines Laboratoriums schienen mehr Aufsehen erregt zu haben, als ich zunächst angenommen hatte.
    Aber dann verwarf ich den Gedanken an die Gefahr einer Entdeckung. Ich lief im Palazzo

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