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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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hatte ich in meinem Laboratorium zurückgelassen. Ich trug nur ein nachlässig geschnürtes Seidenhemd, eine enge Hose und Stiefel, und meine Haare wehten offen im Herbstwind: Es war ein Wunder, dass er mich überhaupt erkannte. Wir waren uns zuletzt in meinem Laden hinter der Kirche Santa Maria delle Grazie begegnet, wo er für Ludovico meine Parfums gekauft hatte. Danach war er noch einige Male vorbeigekommen, angeblich um einen Duft für sich selbst zu finden. Er war nicht eitel, und so hatte es mich gewundert, wie lange er sich jeweils in meinem Laden aufgehalten hatte, ohne das ihm genehme Profumo zu finden. Das ihm genehme Parlando fand er wohl jedes Mal, sonst wäre er nicht wiedergekommen.
    »Ihr?«, fragte er verblüfft.
    Am liebsten wäre ich geflohen, denn ich konnte mir vorstellen, dass er Herzog Ludovico gleich nach seiner Rückkehr ins Castello erzählen würde, dass ich trotz der Explosion meines Laboratoriums noch lebte und im Palazzo Vecchio wohnte. Aber wohin hätte ich gehen sollen? Ich hatte keine Lust, schon wieder meine Sachen zu packen und zu verschwinden. Also blieb ich stehen und ließ mich von ihm anstarren.
    So unangenehm war es nicht, als seine eisblauen Augen bewundernd an mir herabglitten wie an einer Statue der nackten Aphrodite. Castiglione war zwei Jahre jünger als ich, also siebzehn. Der Cousin des Marchese von Mantua war vor einigen Monaten nach Mailand gekommen, um am Hof von Herzog Ludovico seine humanistische Bildung zu vervollständigen. Vor allem aber studiere er aufmerksam die mailändische Intrigenpolitik.
    Männer wie Giovanni Sforza und Gian Giordano Orsini neigten dazu, durch aufwändige perlenbestickte Kleidung, kostbaren Diamantschmuck oder unverfrorenes Auftreten die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich zu ziehen, aber Baldassare Castiglione hatte das nicht nötig. Er trug eine elegant geschnittene Jacke aus schwarzem Atlas und nur einen unauffälligen Siegelring an der rechten Hand. Auf den ersten Blick war er kein schöner Mann, aber es lag eine zurückhaltende Eleganz in seinen Gesten und ein unglaublicher Charme in seinem Lächeln, die ihn mir sympathisch machten.
    »Ihr seid Caterina, die ›Giftmischerin‹ des Herzogs!« Sein Blick glitt über meine hautenge Kleidung, die nur wenig seiner Fantasie überließ – und Baldassare hatte viel Fantasie, wie ich feststellen sollte. »Euer Laden ist vor einigen Monaten abgebrannt. Seine Hoheit hat eine Untersuchung angeordnet, und es hieß, Ihr wäret bei der Explosion getötet worden. Eure Leiche sei bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
    »Ich konnte dem Feuer entkommen«, gestand ich.
    Er zögerte, als wüsste er nicht, ob und wie er die nächste Frage stellen sollte. Am Ende entschloss er sich, nur auf das Fragezeichen zu verzichten. »Bei der Untersuchung hat sich herausgestellt, dass Caterina gar nicht Euer richtiger Name war. Eine Caterina Vespucci war in Mailand nicht gemeldet.«
    Ich sah ihn überrascht an. Was weiß er?, fragte ich mich. »Nein …«, begann ich zögernd und dachte über die Konsequenzen dieser Vorsichtsmaßnahme nach meiner Flucht aus Florenz nach: ein Prozess wegen Steuerbetruges? Oder schlimmer: die Anklage wegen eines Giftattentates auf Ludovico – im Duft Veleno war genug Arsen, das bei einer Untersuchung nachgewiesen werden konnte … Das Motiv? Rache!
    »Ich wusste es! Caterina ist nicht Euer Name«, triumphierte Baldassare Castiglione. »Als ich Euch zum ersten Mal sah, wusste ich, dass Euch ein Geheimnis umgibt. Das hat mich neugierig gemacht. Wie heißt Ihr wirklich?«
    Was ist der Name des Menschen?, durchzuckte es mich. Sein Schicksal?
    »Cassandra«, war der einzige Name, der mir in diesem Augenblick einfiel. Ich hatte das Epos der Belagerung von Troja schon als Kind gelesen und entschieden, dass die kluge Cassandra mir mehr imponierte als Hector und Achilleus, Agamemnon und Menelaos und all die anderen heroischen Idioten, die nichts als Rache und Ehre und Eroberung im Kopf hatten. Cassandra sollte mein nom de guerre sein.
    »Cassandra«, wiederholte Castiglione spielerisch, als müsste er den Geschmack von Mandelkonfekt auf seiner verwöhnten Zunge prüfen. »Ein schöner Name. Ein tragischer Name. Cassandra prophezeite den Untergang Trojas, aber niemand glaubte ihr. Was prophezeit Ihr, meine schöne Amazone? Den Untergang Mailands?«
    »Nein«, lächelte ich geheimnisvoll. »Ich werde mich bemühen, mein Laboratorium nicht noch einmal in die Luft zu sprengen. Mailand wird

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