Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
mein Werk fortzusetzen. Rodrigo wollte seine Examination zum Maestro der Alchemie bei ihm ablegen. Zum Abschied hatte er mich auf die Wange geküsst und, wie immer seit wir uns kannten, ›Hasta mañana!‹ geflüstert: »Bis morgen, Catalina!« Dass er davon überzeugt war, mich nicht wiederzusehen, wollte er mir offensichtlich nicht eingestehen.
Ich lehnte mich in die Kissen der Sänfte und schloss einen Moment lang die Augen. Lucrezia, die neben mir saß, zog fröstelnd die Hermelindecke höher. Sie war so traurig, dass sie kein Wort herausbrachte. Durch das Fenster der Sänfte winkte sie ihrem Vater zu.
Von der Spitze der langen Karawane mit hundertzwanzig Maultieren, die Lucrezias Gepäck und die Truhen mit den hunderttausend Dukaten Mitgift trugen, mit hundert Gefolgsleuten Herzog Ercole d’Estes, die nach Rom gekommen waren, um Lucrezia nach Ferrara zu holen, mit zweihundert Gefolgsleuten des Herzogs der Romagna, mit Kardinälen und Bischöfen, die Lucrezia auf päpstlichen Befehl das Ehrengeleit geben sollten, kam Cesare auf einem herrlichen schwarzen Hengst angetrabt.
Vor dem Fenster der Sänfte zügelte er sein Pferd und verneigte sich höflich. Dann beugte er sich aus dem Sattel zu mir herunter und flüsterte: » ¡Buenos Días!, du schönste aller Frauen. Ich denke an nichts anderes als an dein Lächeln. Ein Wort von dir, und wir fliehen gemeinsam aus Rom. Ich kenne da ein verstecktes Liebesnest …«
Lachend winkte ich ab: »Deine Verführungskünste sind legendär, und ich verstehe, dass dir Herzensbrecher die Frauen Roms zu Füßen liegen, aber ich muss dankend ablehnen, Exzellenz.«
Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich auf die Lippen. Dann richtete er sich im Sattel auf und hob den Arm – das Signal zum Aufbruch. Die Karawane setzte sich in Bewegung.
Lucrezia begann leise zu schluchzen, während unsere von Maultieren getragene Sänfte über die Piazza San Pietro schaukelte. Ich nahm sie in den Arm und ließ sie weinen: um ihren Vater, den sie wohl nie wiedersehen würde, um den kleinen Rodrigo, den sie in Rom zurücklassen musste, weil ihr Gemahl Alfonso d’Este darauf bestanden hatte. Lucrezia war froh, Rom endlich den Rücken zu kehren, die Erinnerungen an Alfonso von Aragón, an den grauenvollen Mord hinter sich zu lassen. Aber sie hatte furchtbare Angst vor der Ankunft in Ferrara, vor ihrem Gemahl Alfonso, dem Sohn des Herzogs Ercole d’Este, den sie noch nie gesehen hatte und der sich monatelang gegen eine Heirat mit ihr gewehrt hatte – er fürchtete wohl dasselbe Schicksal wie Giovanni Sforza und Alfonso von Aragón zu erleiden.
Vor allem aber scheute Lucrezia sich vor den prunkvollen Hochzeitsfeierlichkeiten im herzoglichen Palast – Alfonso und Lucrezia waren seit Weihnachten nur per procura verheiratet – und vor den hochrangigen Hochzeitsgästen wie der Herzogin Elisabetta von Urbino, der Marchesa Isabella d’Este von Mantua, der Prima donna Italiens in Fragen des guten Geschmacks, die eifersüchtig darüber wachte, wer das aufwändigste Kleid trug, den kostbarsten Schmuck, und wer die schönsten, anmutigsten, adeligsten Ehrendamen im Gefolge hatte und den begehrenswertesten Geliebten im Bett.
Während ich Lucrezia im Arm hielt, nahm ich Abschied von Rom, das ich vielleicht nie wiedersehen würde. Rom, die Ewige, Rom, die Schöne, Wahre, Gute, Rom, die Furchtbare. Himmel und Hölle. Anfang und Ende. Liebe, Hass und Mord. Aber auch die Hoffnung auf Unsterblichkeit. Ich schwieg, während wir die Via Alessandrina hinab, an der Engelsburg vorbei, über den Tiber bis zur Porta Flaminia ritten.
Irgendwann tauchte Kardinal Ippolito d’Este neben der Sänfte auf und fragte nach unserem Befinden, dann ritt er wieder an die Spitze des Hochzeitszuges zu seinen Brüdern Ferrante und Sigismondo, die die Gemahlin ihres Bruders Alfonso heimholten.
Gegen Mittag verabschiedete sich Cesare im dichten Schneetreiben von seiner Schwester und mir und kehrte mit Kardinal d’Este nach Rom zurück. Lucrezia und ich verbrachten die Nacht in einer Burg an der Via Flaminia, teilten uns ein Bett in einem eisig kalten Zimmer ohne Kamin und wärmten uns gegenseitig. Und tuschelten miteinander, bis wir einschliefen.
Am nächsten Morgen brachen wir in der kalten Morgendämmerung auf. Es schneite immer noch. Wir reisten über Civita Castellana nach Spoleto und übernachteten in der Burg. Der Kastellan hatte Erbarmen mit uns und ließ ein Feuer im Kamin des Schlafzimmers entzünden. In dieser
Weitere Kostenlose Bücher