Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Palazzo Apostolico und spielte mit ihm, so oft er Zeit hatte. Ich hatte Girolamo ebenso gern wie Lucrezias Sohn Rodrigo. Er war der Grund, dass Cesare und ich endlich Frieden geschlossen hatten. Cesare brachte den Kleinen manchmal mit, wenn er mich besuchte. Wie oft hatte ich in den letzten Wochen daran gedacht, als ich Girolamo im Arm hielt, dass Cesares und mein Kind jetzt schon zehn Jahre alt wäre …
»Dorotea liebt dich wirklich, Cesare«, sagte ich. »Sie hat mir vor einigen Tagen anvertraut, dass sie wieder schwanger ist. Sie ist so glücklich!«
»Ist sie das?«, zweifelte er und küsste meine Hand. »Natürlich freut sie sich darauf, Rom zu verlassen. Sie mag dich sehr, Caterina, und doch sehnt sie sich danach, mich für sich allein zu haben. Sie betet darum, dass ich dich eines Tages vergessen kann, und sie hofft, dass das in Cesena möglich ist. Irgendwann.«
»Und nur um sicherzugehen, dass dieses unmögliche Unterfangen auch gelingt, hast du deiner Gemahlin Charlotte geschrieben, sie möge als Herzogin der Romagna zu dir kommen, mit deiner Tochter Louise d’Albret …«, lächelte ich, und er wandte den Blick ab. »Cesare?«
»Ja?«
»Werde glücklich!«
Er lächelte traurig. »Ich weiß nicht, ob wir uns jemals wiedersehen, Caterina.«
Ich ergriff seine Hand und zog ihn zu mir herunter. Ich küsste ihn sanft, und er umarmte mich. Schließlich richtete er sich auf und zog die lackierte Holzkassette, die er mitgebracht hatte, zu sich heran.
»Das schickt dir mein Vater.«
»Was ist das?«, fragte ich gespannt.
Cesare öffnete den Deckel und ließ mich in die mit weißem Sand gefüllte Kassette blicken. »Fünfundzwanzig Phiolen Aurum potabile. Er sagte, du wüsstest, wozu du es brauchen kannst.«
»Ja, das weiß ich, Cesare. Sag ihm, dass ich ihm danke.«
»Sag es ihm selbst, er kommt nachher noch zu dir. Im Augenblick muss er sich mit dem Botschafter von Ferrara und Lucrezias neuem Schwager, Kardinal Ippolito d’Este, herumschlagen. Danach wird sich Lucrezia von ihm verabschieden. Ich soll dir sagen, dass er gern mit dir zu Abend essen würde.«
Ich nickte. »Darüber würde ich mich freuen.«
»Ich richte es ihm aus.« Cesare druckste herum. Es war alles gesagt, aber er wollte offensichtlich noch nicht gehen. Er sah mich an, und ich hatte das Gefühl, er würde gleich in Tränen ausbrechen. »Du wirst das Aurum nehmen, nicht wahr?«, fragte er leise.
Einen Augenblick lang dachte ich an Lorenzo, dem das Aurum potabile die letzten Monate erträglich gemacht hatte. »Ja, Cesare, wenn ich den Schmerz nicht mehr ertrage.«
Dass ich die erste Phiole des Aurum potabile nur zwei Monate später nehmen würde, konnte ich ja nicht ahnen. Und weshalb, schon gar nicht. Denn damals glaubte ich nicht an Nicolaus’ wunderschöne Prophezeiung von der großen Liebe. Noch nicht!
Cesare beugte sich über mich, um mich auf die Lippen zu küssen. »¡Vaya con Dios, mi amor!« , flüsterte er bewegt. »Ich danke dir für deine Vergebung, deine Liebe und deine Freundschaft. Trotz allem bist du nie an mir verzweifelt. Ich liebe dich und werde dich immer lieben. Möge Gott dir gnädig sein und dich nicht länger leiden lassen. ¡Vaya con Dios! «
Mit Tränen in den Augen erhob er sich und ging.
Trotz des dichten Schneetreibens erkannte ich auf der Loggia der Kathedrale von San Pietro Rodrigo im päpstlichen Ornat. Er stand inmitten seiner Kardinäle und sah mit seiner Tiara so majestätisch aus wie Gottvater, als er den Segen spendete. Dabei winkte er uns entgegen jedem päpstlichen Zeremoniell zu. Ein paar Schritte neben ihm sah ich Gianni im weiß verschneiten Kardinalsornat und Giuliano della Rovere, dem Wind und Wetter nichts auszumachen schienen.
Der Abschied von Gianni am vorigen Abend war mir schwer gefallen. Er hatte so verloren auf meinem Bett gesessen und meine Hand nicht mehr losgelassen. Dabei stellte er sich wohl dieselbe Frage wie ich: Würde ich jemals nach Rom zurückkehren?
Nachdem Gianni gegangen war, hatte ich mit Rodrigo zu Abend gegessen. Er hatte die meiste Zeit geredet, um ja kein Schweigen zwischen uns aufkommen zu lassen. Über meine Mortificatio, die ich unwissentlich an dem Morgen nach Alfonsos Tod vollbrachte, über das in dieser Transmutation entstandene Aurum potabile, das er mir auf meine Reise – meine letzte Reise? – mitgeben wollte, über seine einsamen Nächte im Laboratorium, über seine Hoffnung, dass ich Leonardo überreden konnte, in den Vatikan zu kommen, um
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