Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
wollte, die, von Fackeln beleuchtet, auf der anderen Seite der kleinen Piazza in den klaren Nachthimmel ragte. Verblüfft stellte ich fest, dass hinter den hohen Kirchenfenstern ein düsterer Lichtschein flackerte.
Die Wachen ließen mich gehen, denn – im Gegensatz zu Florenz, Mailand und Rom, wo die Nächte tödlich sein konnten – war Urbino sogar um Mitternacht sicher. Ich genoss die milde Luft dieser herrlichen ersten Nacht im Mai, atmete tief ein und lauschte dem fröhlichen Klang der Musik, die aus den offenen Fenstern des Bankettsaals bis auf die Piazza hinauswehte.
Leise schob ich das Portal des Doms auf, trat in die Kirche …
… und blieb überwältigt stehen.
Der Boden der Kathedrale war von einem Teppich aus Blüten bedeckt. Zu beiden Seiten des Weges, der zum Altar führte, brannten in regelmäßigen Abständen Kerzen, die mit Wachs auf dem Marmorboden befestigt waren und die Kirche in ein sanftes goldenes Licht tauchten. Ein herrlicher Anblick!
Guido, der neben dem Portal auf mich gewartet hatte, umarmte mich. »Gefällt es dir?«
»Es ist großartig!«, flüsterte ich und küsste ihn.
»Du hast mein dunkles Leben erleuchtet wie diese Kerzen, Caterina. Und seit du bei mir bist, weiß ich, was Glück ist.« Er nahm meine Hand, als wollte er mit mir tanzen. »Lass uns ein Stück dieses Weges gemeinsam gehen«, murmelte er geheimnisvoll und führte mich über den Blütenteppich. »Ich habe eine Überraschung für dich!«
Neugierig folgte ich ihm bis vor den Altar, sah mich um, konnte aber nichts entdecken, was nicht während meines letzten Besuchs zur Sonntagsmesse schon dort gewesen war. Bis auf …
Raffaello trat aus den tiefen Schatten und kam zu uns herüber. In der Hand hielt er eine kleine Schatulle aus getriebenem Silber. Direkt vor uns blieb er stehen und reichte Guido das Kästchen.
»Das hier wollte ich dir zeigen, Caterina«, sagte Guido leise und öffnete den Deckel. Im Schein der Kerzen erkannte ich zwei Ringe auf blauem Samt. Jeder der beiden Ringe bestand aus zwei Reifen, einem silbernen und einem goldenen, die endlos ineinander verflochten waren.
»Mein Gott, ist das schön!«, hauchte ich andächtig.
»Raffaello hat sie entworfen und anfertigen lassen.«
»Sie sind das Wundervollste, das ich je gesehen habe!«
»Das Wundervollste, das ich je gesehen habe, bist du, meine Geliebte.« Guido küsste mich leidenschaftlich.
Dann nahm er einen der beiden Ringe und steckte ihn mir an den Finger. »Caterina, mit diesem Ring bekenne ich dir meine unsterbliche Liebe. Ich will dich lieben und ehren, ich will bei dir sein und dich niemals verlassen, bis ans Ende aller Tage«, sagte er laut und deutlich. »Dies schwöre ich vor Gott und der Welt.« Als ich ihn sprachlos anstarrte, fuhr er fort: »Du weißt, dass ich dich nicht heiraten kann, Caterina. Aber dieser Ring und meine Liebe sind das Beste, was ich dir anbieten kann. Ich meine: außer mir selbst.«
Gerührt starrte ich auf den geflochtenen Ring an meiner Hand. Zwei Schicksale, untrennbar miteinander verwoben. Welch ein Symbol! Raffaello war wirklich ein Genie!
Ohne lange zu überlegen, nahm ich den zweiten Ring und steckte ihn Guido an den Finger. »Guido, mit diesem Ring bekenne ich dir meine unsterbliche Liebe. Ich werde dich lieben, in den Zeiten des Glücks und in den Zeiten des Leids. Ich werde bei dir sein, bis der Tod uns auseinander reißt. Meinen Schwur besiegele ich mit diesem Kuss.« Ich umarmte Guido und küsste ihn leidenschaftlich.
Unglaublich viel Liebe hatte Nicolaus mir versprochen. Ja, er hatte Recht. Es war mehr, als ich mir je hätte vorstellen können. Guido und ich waren voneinander wie berauscht, als wir Arm in Arm und glücklich lachend in den Palazzo zurückkehrten.
Diese herrliche Nacht schien mir die schönste meines Lebens zu sein. Aber ich sollte mich irren!
Zwei Wochen später stellten sich die ersten Symptome meiner Krankheit ein. Die drei Phiolen Aurum potabile schienen in den letzten Wochen seltsame Veränderungen in meinem Körper hervorgerufen zu haben. Zuerst dachte ich, ich hätte innere Blutungen, als ich die ersten Tropfen schwarzen Blutes auf meiner Kleidung fand. Aber ich verzichtete darauf, Guido zu beunruhigen, indem ich mich von seinem Medicus Antonio untersuchen ließ. Nach drei Tagen hörten die Blutungen wieder auf. Da die Schmerzen in meinen Muskeln und Gelenken nur langsam wiederkehrten, aber noch auszuhalten waren, und ich auf keinen Fall eine weitere Phiole Aurum zu mir
Weitere Kostenlose Bücher