Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
genügte!
Cesare war mir tagelang aus dem Weg gegangen und hatte mich nicht empfangen: »Seine Exzellenz arbeitet und will nicht gestört werden« und »Seine Herrlichkeit bespricht sich mit seinen Condottieri« und »Seine Magnifizenz schläft und will auf keinen Fall geweckt werden« waren die häufigsten Ausreden, mit denen mich sein Sekretär immer wieder fortschickte, sobald ich den Wunsch äußerte, mit Cesare zu reden. Er wusste genau, was ich von ihm wollte! Sein Schweigen war schmerzhafter als ein gebrülltes Nein.
Leonardo war vor einigen Tagen als Cesares Militäringenieur nach Urbino gekommen, um die Festung zu inspizieren und Karten von der Gegend zu zeichnen. Sein überraschender Besuch an meinem Krankenbett hatte mir gut getan, denn Leonardo hatte mich aus der Windstille meiner Gedanken gerissen. Er hörte mir geduldig zu, ließ mich weinen, hielt meine Hand, ließ mich meinen Zorn hinausschreien und tat nichts, um mich mit sinnlosen Worten wie »Alles wird gut, mia cara! « zu beruhigen. Er wartete ab, bis ich leer war, bis ich keine Tränen mehr hatte, und keine Worte. Leonardo war ein großartiger Maestro, der die Alchemie der Gefühle beherrschte!
Niccolò befand sich auf Cesares Wunsch als florentinischer Botschafter in Urbino. Erst nach seiner Abreise aus Florenz hatte er von Guidos Sturz erfahren, als ein Eilbote der Signoria ihn beauftragte, Cesare im Namen der Republik Glückwünsche zur Eroberung der Stadt auszusprechen. Niccolò war vier Tage nach Guidos Flucht in Urbino eingetroffen, ohne eigentlich zu wissen, was Cesare von ihm wollte. In den letzten Stunden hatte er mehrmals mit ihm gesprochen, um ihn davon abzuhalten, nach der Eroberung von Arezzo vor einigen Tagen auch noch Florenz anzugreifen.
Cesare hatte in anmaßendem Ton verlangt, ihm Guido auszuliefern, aber Niccolò hatte ihm ruhig erklärt, dass der gestürzte Herzog nicht in Florenz wäre. Niccolò hatte mir von diesem seltsamen nächtlichen Treffen erzählt, von Cesares unnachgiebigem, arrogantem Auftreten, aber auch von dem tiefen Eindruck, den der Herzog der Romagna auf ihn gemacht hatte:
Einerseits empfand Niccolò tiefe Bewunderung für Cesares Erfolge auf den Schlachtfeldern Italiens wie auch auf dem spiegelblanken Parkett der Politik. Andererseits fürchtete er ihn, denn er spürte, wie gut der Herzog der Romagna die Kunst beherrschte, Menschen für sich zu gewinnen, um sie für die eigenen Ziele einzusetzen. Cesare hatte Niccolò mehr oder weniger deutlich erklärt, dass er bei einem Angriff auf Florenz mit der Unterstützung von König Louis rechnen konnte und dass sein künftiger Statthalter in der Via Larga kein anderer als Piero de’ Medici sein würde.
Sichtlich geschockt von dieser Drohung saß Niccolò neben mir im Schatten des Palastgartens und berichtete von seinem letzten Treffen mit Cesare. Während ich ihm zuhörte, beobachtete ich Leonardo, der wenige Schritte entfernt zu den Türmen des Palazzo hinaufstarrte und mit zusammengekniffenen Augen die Schwalben beobachtete. Hin und wieder warf er die Skizze eines fliegenden Vogels mit weit ausgebreiteten Schwingen auf seinen Malblock – offensichtlich arbeitete er immer noch am Prototypen seines Fluggerätes.
»Ich verstehe Cesare nicht, kein bisschen«, seufzte Niccolò, der ebenfalls zu Leonardo hinübersah. Die beiden hatten sich vor zwei Tagen in Urbino kennen gelernt und verstanden sich auf Anhieb. »Ich dachte, er liebt dich. Aber er hält dich wie eine Gefangene. Als ich es wagte, ihn um deine Freilassung zu bitten, hat er mich zornig angefaucht, ich sollte mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten und die der Republik Florenz kümmern.«
»Er wird mich nicht freilassen, Niccolò. Er hofft, dass Guido sich ihm ergibt, wenn er mich als Geisel behält«, erklärte ich so ruhig, als hätte ich mich mit meinem Schicksal bereits abgefunden.
Niccolò sah mich überrascht an, als glaubte er nicht an meine wundersame Bekehrung zum Fatalismus. »Wird der Herzog das tun?«, zweifelte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Guido wird Cesare bis zu seinem letzten Atemzug Widerstand leisten. Das weiß Cesare, deshalb hält er mich als Geisel fest, um Guido von einem Angriff auf Urbino abzuhalten, der mich das Leben kosten könnte. Cesare will Guido einen ehrenvollen Titel geben, wenn er auf das Herzogtum verzichtet und seine Festungen kampflos übergibt. Er will ihm sogar den päpstlichen Dispens für eine Scheidung von Elisabetta
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