Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
besorgen, damit Guido mich heiraten kann.«
»Das muss ihn eine ziemliche Überwindung gekostet haben«, vermutete Niccolò.
»Er konnte mir nicht einmal ins Gesicht sehen, als er mir in zwei Sätzen erklärte, was er vorhatte. Er weiß, dass er mich endgültig an Guido verloren hat. Die Zeit rinnt ihm durch die Finger, genau wie mir. Wenn Guido das Friedensangebot nicht annimmt, während ich hier in Urbino Cesares Geisel bin, werde ich sterben. Ich habe Cesare gesagt, dass ich drei Phiolen des Aurum potabile getrunken habe, und er selbst hat mir eine vierte Phiole eingeflößt, als nach der Fehlgeburt meine Blutungen nicht mehr aufhörten. Vier Phiolen! Du weißt, was das bedeutet, Niccolò. Und er weiß es auch.
Wenn ich das Elixirium vitae nicht finde, werde ich in wenigen Wochen sterben, sobald die restlichen einundzwanzig Phiolen verbraucht sind. Aber das Laboratorium ist in Rom. Wenn Cesare mich aber nach Rom gehen lässt, werde ich vielleicht leben – aber nicht mit ihm. Er verliert also in jedem Fall. Das macht ihn so furchtbar wütend …«
»… ungeduldig und gereizt«, ergänzte Leonardo, der mit seinem Skizzenbuch unter dem Arm näher getreten war. »Cesare weiß nicht, wo Herzog Guido sich aufhält. Oder was er vorhat. Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen: Cesare gerät in Panik, weil er Urbino zwar erobert hat, aber die Stadt im Fall eines Gegenangriffs nicht verteidigen kann. Das hügelige Gelände des Herzogtums ist gegen feindliche Angriffe nicht zu halten. Und Guido war ein äußerst beliebter Herrscher. Cesare sieht in dir als seine Geisel die einzige Chance, ihn nach Urbino zurückzulocken, um ihn gefangen zu nehmen und einen Krieg zu verhindern. Er weiß, dass er dein Todesurteil in der Hand hält und dass die Tinte schon auf das Pergament tropft.«
»Was wirst du tun, Caterina?«, fragte Niccolò besorgt.
»Was kann ich denn tun, mio caro? Ich werde warten …«
»… bis Cesare die Nerven verliert und dich freiwillig gehen lässt?«, fragte Niccolò gespannt. »Oder bis dein Ritter Guido zurückkommt, um dich aus den Fängen des Drachen zu befreien?«
Ich lächelte geheimnisvoll: »… bis ich mit dem Warten aufhöre. Bis ich mit dem Handeln beginne.«
Leonardo lächelte wissend über diese schwierige Lektion des Alchemisten. »Kann ich dir beim ›Warten‹ helfen?«, fragte er leise. »Nach ich weiß nicht wie vielen gescheiterten Versuchen bin ich mittlerweile sehr erfahren in der Durchführung der Mortificatio .«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Leonardo. Aber danke, dass du gefragt hast.«
»Seltsam …«, sinnierte Niccolò, offensichtlich irritiert über Leonardos Wortspiel, dessen Sinn er nicht verstand, »aber das waren auch Cesares Worte: ›Was kann ich denn anderes tun als warten?‹ Es klingt, als spieltet ihr miteinander ein Spiel …«
»Aber es ist ein Spiel«, sagte ich. »Ein Spiel um Leben und Tod.«
»Ihr seid verrückt, alle beide!«, erklärte Niccolò kopfschüttelnd.
»Nein, mio caro. Er ist verrückt, sich mit mir auf dieses unsinnige Spiel einzulassen. Denn ich kann nur gewinnen, da ich bereits alles verloren habe. Aber er kann nur verlieren, denn er hält sich für den Sieger.«
Niccolò war sehr besorgt um mich, als er sich am nächsten Morgen von mir verabschiedete. Er musste dringend nach Florenz zurückkehren: Cesare hatte der Signoria gedroht, und zwei seiner Condottieri standen mit ihrem Heer vor den Toren der Stadt.
Leonardo zögerte seine Abreise Tag für Tag hinaus, doch dann sandte Cesare ihn Mitte Juli ungeduldig in die Romagna, wo er Festungen inspizieren und Karten zeichnen sollte. Leonardo war traurig, denn er wusste, welches Schicksal mir bevorstand: Einundzwanzig Phiolen Aurum, einundzwanzig Wochen zu leben – viel zu wenig Zeit, um das Elixirium zu finden. Und ohne mein Laboratorium unmöglich.
Die Wochen seit Cesares Eroberung von Urbino waren die schlimmsten meines Lebens. Ich wartete – auf den nächsten Anfall, der mich in die Knie zwingen würde, auf die Einnahme der nächsten Phiole Aurum, die mich dem Tod wieder einen Schritt näher bringen würde, auf eine Gelegenheit zur Flucht, auf … ja, auf was? Ich konnte nichts tun, als hilflos zuzusehen, wie Cesare seine Befehle als Herzog von Urbino unterschrieb, wie er Guidos Palazzo plünderte und die kostbaren Möbel, Gobelins, das Tafelsilber und den Schmuck in die Romagna bringen ließ. Die Gefolgsleute und die Dienerschaft – Kammerdiener, Zofen, Sekretäre, Köche
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