Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
der Bannerträger der Kirche und seit meiner Geburt das Eigentum meines allmächtigen Vaters und seiner allgegenwärtigen Kirche. Ich kann ihr nicht entkommen. Gott weiß, wie oft ich es versucht habe.« Endlich wandte er sich um und sah mir in die Augen. »Einen Eroberer – so nennst du mich? Du hast Recht. Ich habe eine Vision von einem vereinigten Italien, von Frieden und Freiheit. Lorenzo hat diesen Traum vor mir geträumt. Ich tue, wovon er immer nur geredet hat!«
»Um welchen Preis?«, warf ich ihm vor. »Du führst Krieg!«
»Um den Preis des Friedens, Caterina«, erklärte er mir geduldig. »Seit ich die Romagna erobert habe, herrschen dort Zufriedenheit und Wohlstand. Frieden! Es gab in den letzten zwei Jahren nicht einen Aufstand gegen mich als Herzog der Romagna. Die Menschen sind froh, dass ich sie von den Tyrannen befreit habe und ihnen eine vernünftige Staatsverfassung gegeben habe, die Willkür ausschließt und Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz garantiert. Dein Freund Machiavelli hat mir geschrieben, um mich zu diesem Schritt zu beglückwünschen. Ich führe Krieg, damit die d’Este, Gonzaga, Montefeltro, Orsini und Aragón endlich aufhören, sich gegenseitig zu vernichten.«
»Eine schöne Vision«, sagte ich müde. »Aber du wirst scheitern.«
»Ich kann Italien unterwerfen, und ich werde es einigen«, versprach er mir hitzig.
»Selbstverständlich wirst du das, Cesare. Daran habe ich keinen Zweifel. Du hast die Romagna und Urbino erobert – du wirst Florenz unterwerfen, du wirst die Franzosen aus Mailand und die Spanier aus Neapel vertreiben, du wirst dich mit dem Dogen von Venedig und mit Maximilian von Habsburg herumstreiten, und am Ende wirst du dir die Krone von Italien aufsetzen. Ja, Cesare, du kannst Italien unterwerfen, und du wirst es einigen. Und dann wirst du scheitern!
Dein Weg führt dich immer tiefer in die Einsamkeit des Mächtigen, der Italien eroberte, der Ruhm und Ehre gewann und eine Krone, der alles und jeden vernichtet und unterworfen hat, der keinen Gegner mehr hat als sich selbst, mit dem er sich auseinander setzen kann. Ich weiß, dass du ein besonnener Regent bist, den das Volk liebt, ein exzellenter Heerführer, der jedes Schlachtfeld siegreich verlässt. Du erreichst alles, was du dir vornimmst, aber trotzdem wirst du scheitern. Du hast einen Gegner, den du auf dem Schlachtfeld nicht besiegen kannst, Cesare. Dich selbst.«
Er schwieg, sah mich traurig an und nickte dann. »Vor Jahren habe ich dir in Pisa gesagt, dass der Mensch alles tun und werden kann, wenn er es nur will. Er muss der Göttin Fortuna nur seine Zweifel und Hemmungen opfern.« Er zögerte, doch dann fügte er hinzu: »Und seinen Seelenfrieden.«
In diesem Augenblick wirkte er so traurig, so unglücklich, so einsam, dass er mir Leid tat. Ich zog ihn zu mir herunter, um ihn zu trösten. Er legte sich neben mich auf das Bett und schlang seine Arme um mich.
»Deinen Seelenfrieden?«, fragte ich beunruhigt. »Was ist geschehen?«
»Es tut mir Leid, Caterina. Es tut mir so Leid. Ich wollte das nicht«, flüsterte er, während er sein Gesicht im Kissen vergrub. »Bitte vergib mir! Ich habe dir alles genommen, was du …« Er sprach nicht weiter, wich meinem Blick aus. »Guido … deinen Sohn.«
Ich starrte ihn entsetzt an. »Meinen … Sohn?«, flüsterte ich.
Er lag neben mir, nicht einmal eine Handbreit entfernt, aber er konnte mich nicht ansehen, als er weitersprach. »Du bist vom Pferd gestürzt, als ich dich während deiner Flucht zu mir in den Sattel reißen wollte.«
»Ich erinnere mich. Du hast dein Pferd gewendet und bist zu mir herübergekommen. Von da an weiß ich nichts mehr.«
»Ich habe dich in die Arme genommen und den ganzen Weg bis zum Bach hinuntergetragen. Du hast gestöhnt vor Schmerz, obwohl du bewusstlos warst. Ich dachte zuerst, du hättest dich im Brombeergestrüpp verletzt. Aber als ich dich am Bach ins Gras legte, bemerkte ich in der Abenddämmerung … das viele Blut.«
»Blut?«, hauchte ich. Nein, nicht das!, wollte ich schreien.
»Ich habe dich ausgezogen, um dich zu untersuchen. Es war niemand in der Nähe, der mir hätte helfen können. Die Stadttore von Urbino waren geschlossen. Mein Medicus war im Feldlazarett auf der anderen Seite der Stadt«, sagte er traurig. »Ich habe in Pisa ein paar Vorlesungen in Medizin gehört. Und ich habe bei Girolamos Geburt Doroteas Hand gehalten, deshalb wusste ich, was zu tun war. Deine Wehen waren sehr stark … du hast
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