Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
gab mir ein gesatteltes Pferd, Brot und eine Wasserflasche, einen zerschlissenen Franziskanerhabit und seinen Segen. Als ich hastig meine Satteltaschen packte, bemerkte ich zu meinem Entsetzen, dass bei meinem Sprung von der Stadtmauer zwei Phiolen mit Aurum zerbrochen waren. Im Stillen fluchend packte ich die verbleibenden achtzehn Fläschchen in eine der ledernen Taschen, die ich hinter dem Sattel aufschnallte. Dann verließ ich den Konvent noch in der Nacht in Richtung Süden, obwohl dieser Weg der gefährlichste war. Auf meinem Weg nach Gubbio und weiter über Assisi nach Perugia musste ich die Stellungen von Cesares Heer umgehen. Der Weg an der Küste entlang wäre sicherer gewesen – aber ich zog es vor, den direkten Weg zu gehen.
Ich ritt die ganze Nacht hindurch, rastete den folgenden Tag in einem Wald, durchquerte die tiefen, bewaldeten Schluchten des Apennin, verließ hinter Gubbio die Via Flaminia und bog über die Höhenwege nach Perugia ab. Ich mied Herbergen und, obwohl ich einen Franziskanerhabit trug, das Kloster von Assisi und schlief im Freien. Hinter Perugia folgte ich dem Tiber bis vor die Tore von Orvieto, dann ritt ich weiter nach Viterbo, bis ich nach vier Tagen endlich Bracciano erreichte.
Gian Giordano Orsini war wohl ebenso überrascht, als ich vor ihm stand und die Kapuze des Franziskanerhabits vom Kopf zog, wie ich, als ich Giuliano della Rovere bemerkte, der gerade mit meinem Cousin zu Abend speiste, als ich in den Saal geführt wurde.
Giuliano war am Vortag aus Mailand gekommen, wo er sich mit König Louis getroffen hatte. Er hatte gute Nachrichten für mich, als er mich zur Begrüßung umarmte: »Ich habe Guido in Mailand gesehen. Er und Francesco konnten Cesares Verfolgern entkommen. Vor einigen Tagen war er bei Louis im Castello, um ihn um Unterstützung gegen Cesare zu bitten.«
»Ich danke Gott, dass er lebt«, seufzte ich.
»Er hat nach dir gefragt, Caterina, aber ich wusste nicht, wie es dir geht – nur, dass Cesare dich in Urbino als Geisel festhält. Wirst du zu ihm gehen?«
Ich schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein, Giuliano.«
»Aber …«, begann der Kardinal verwirrt. »Wohin, zum Teufel, willst du denn?«
»Nach Rom.«
»Rom ist dein sicherer Tod!«, warnte er mich. »Papst Alexander wird dich …«
»Rom ist meine einzige Chance zu überleben«, unterbrach ich ihn. »Rodrigo Borgia wird mir nichts tun, denn er braucht mich so dringend, wie ich ihn brauche. Wie die Luft zum Atmen.«
Ich erklärte Giuliano, was ich tun musste, und er wurde bei jedem meiner Worte unruhiger. Als ich das Elixier erwähnte, sprang er auf und rannte wie gehetzt durch den Saal.
»Rodrigo Borgia wird nicht ewig leben«, beruhigte ich ihn.
»Und wenn du tatsächlich das scheinbar Unmögliche vollbringst und das Lebenselixier findest – was dann? Er wird es dir niemals freiwillig überlassen. Die Nacht deines Triumphes wirst du nicht überleben, Caterina!«, warnte mich der Kardinal.
Müde schüttelte ich den Kopf. »Du irrst, Giuliano. Rodrigo Borgia wird sterben, sobald er nach der Unsterblichkeit greift. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als nicht zu Ende zu bringen, was ich begonnen habe. Er wird mich davon nicht abhalten!«
»Wenn du den Papst umbringst, wird sich Cesare an dir rächen«, warnte mich Gian Giordano besorgt. »Ich kann dich nicht schützen, Caterina. Cesare und ich gehören beide dem Orden von San Michele an.« Gian Giordano deutete auf das kostbare Ordensband auf seiner Brust. »Wir dürfen nicht das Schwert gegeneinander erheben.«
»Ich habe mächtige Freunde. In Rom und in Florenz. Und auch der nächste Papst wird mich unterstützen«, beruhigte ich ihn.
»Ach ja? Hat dich der Heilige Geist erleuchtet, Kardinälin de’ Medici?«, fragte Giuliano bissig. »Wer ist das: der nächste Papst?«
»Du.«
Er sah mich überrascht an. »Was ist mit Giovanni de’ Medici?«, fragte er nach einer Weile.
»Er ist siebenundzwanzig. Wenn du Papst wirst, kannst du, nein: wirst du ihn zu deinem Vizekanzler ernennen. Gianni wird dann dein Nachfolger als Pontifex.«
Giuliano verkniff sich ein Lachen. »Und für wann planst du das nächste Konklave? Denn noch lebt Rodrigo Borgia.«
»Ja, Giuliano. Noch lebt er.«
»Du meinst es wirklich ernst«, stellte er fest.
»Todernst.«
Ich machte mir keine Illusionen, was geschehen würde, wenn ich das Lebenselixier wirklich fand. Rodrigo würde versuchen, es mir wegzunehmen. Und ich würde keine andere Wahl haben, als
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