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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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und Reitknechte – verließen einer nach dem anderen fluchtartig den Palast, um ihr Glück woanders zu suchen. Wie vor acht Jahren, als die Medici aus Florenz vertrieben wurden, wie vor drei Jahren, als Ludovico aus Mailand geflohen war.
    Cesare weigerte sich, mich zu empfangen, ließ sich mit immer unsinnigeren Ausreden verleugnen. Immerhin, dachte ich wütend, macht er sich noch die Mühe, sein Nein mit halbherzigen Ausflüchten und Rechtfertigungen zu garnieren! Er wusste genau, was er mir mit meiner Gefangennahme antat, doch er konnte mir nicht in die Augen sehen und mir mein Todesurteil selbst überreichen. Er besuchte mich auch nicht, als ich wenige Tage nach Leonardos Abreise zusammenbrach und eine fünfte Phiole nehmen musste. Ende Juli reiste er in die Romagna ab, ohne sich von mir verabschiedet zu haben.
    Ich blieb allein zurück mit dem Echo meiner Schritte in einem leeren Palazzo, dem Grabmal meiner Liebe! Aber nicht lange …

    Hastig wickelte ich die zwanzig Glasphiolen in eines meiner Seidenhemden, damit sie während der Flucht nicht zerbrachen, und steckte das fest zusammengeknotete Bündel in eine Leinentasche, die ich mir umhängte. Dann klopfte ich die Kissen des Bettes zurecht, breitete das Laken und die Brokatdecke über die Kissen und betrachtete mein Werk. Sehr überzeugend: Madonna Caterina schläft tief und fest nach einem erneuten schweren Anfall ihrer furchtbaren Krankheit. Mein Auftritt an diesem Abend vor meinen Bewachern war überzeugend gewesen – Baldassare hätte über meine dramatische Inszenierung beim Abendessen Tränen gelacht! Cesare würde wohl nicht lachen, wenn er von meiner mitternächtlichen Flucht aus dem Palazzo erfuhr …
    Ich löschte die Kerze und öffnete lautlos die Tür des herzoglichen Schlafzimmers. Alles war ruhig. Leise trat ich in den benachbarten Audienzraum, der völlig leer geräumt war, und schloss die Tür hinter mir. Dann schlich ich weiter zum Saal der Engel. Den direkten Weg durch die nächtliche Loggia zur Treppe in den Hof hinunter wagte ich nicht. Das Tor des Palastes war bewacht. Eine Flucht durch das Portal war unmöglich. Wenn ich entdeckt wurde, und mein Täuschungsmanöver misslang, würde Cesare mir keine zweite Chance zur Flucht lassen.
    Aber es gab einen anderen Weg. Er führte durch einen Seitenflügel des Palastes, eine Treppe hinunter bis in die benachbarte Kathedrale. In den letzten Monaten war ich mit Guido oft durch diesen Gang zur Sonntagsmesse im Dom gegangen. Den Schlüssel zu der verborgenen Tür hatte mir niemand abgenommen.
    Das Portal der Kathedrale war nicht verschlossen, und die Domfassade konnte von den Bewaffneten vor dem Palasttor auf der anderen Seite der Piazza nicht überwacht werden.
    Unbemerkt verließ ich die Kirche und spähte vorsichtig um die Ecke. Alles war ruhig. Meine Flucht war noch nicht entdeckt worden. Ich verschmolz mit den Schatten und schlich lautlos die menschenleere Via Ducale hinunter zur Kirche San Francesco. Von dort führte eine steile Gasse hinunter bis zum Stadttor. Vier Wächter saßen im Schein mehrerer Fackeln, würfelten und waren schon lange nicht mehr nüchtern, was ich ihrem übermütigen Lachen entnehmen konnte. Ich hielt mich in den Schatten jenseits des Lichtscheins, während ich mich an der Stadtmauer entlang der Porta Lavagine näherte. Neben dem Tor war eine kleine Andachtskapelle in die Stadtmauer eingelassen. Ich zog mich auf das windschiefe Ziegeldach, richtete mich vorsichtig auf und kletterte von der Kapelle auf die Zinnen der Stadtmauer. Eine Weile lag ich dort oben flach auf dem Bauch und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen – und einen Blick in den schwarzen Abgrund unter mir zu werfen. Die Stadtmauer war hoch, sehr hoch, und ich hatte kein Seil, nicht einmal ein zusammengeknotetes Bettlaken, um mich daran herunterzulassen. Ich musste springen. Ins Ungewisse. Aber das wäre ja nicht das erste Mal in meinem Leben …
    Dann richtete ich mich auf, presste die Leinentasche mit beiden Armen an mich, sandte ein Stoßgebet zum Himmel und sprang. Mit einem gewaltigen Satz landete ich auf beiden Füßen und rollte mich über die Schulter ab, wie ich es in den Fechtstunden gelernt hatte. Dann kauerte ich eine Weile bewegungslos im Gras und lauschte. Aber alles blieb still: Kein Alarm! Ich schnallte mir die Tasche auf den Rücken und folgte der Straße im Mondlicht hügelabwärts in Richtung des Konvents von San Bernardino.
    Der Prior, ein Freund der Familie Montefeltro,

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