Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Rubinring –, die ich nicht ablehnen konnte, ohne ihn zu verärgern. Er hatte ein Vermögen ausgegeben, um diese »Kleinigkeiten« für mich zu besorgen. Er hatte selbst die Läden der Goldschmiede, Handschuhmacher und Apotheker aufgesucht und die besten Schmuckstücke, die schönsten Brokatstoffe und teuersten Parfums gekauft. Die Kisten und Körbe, die Schachteln und Seidenballen wurden abends von den Lieferanten in den Palazzo gebracht und in seinen Räumen im Gästetrakt abgestellt – damit er sie mir in den nächsten Tagen mit einem charmanten Lächeln überreichen konnte.
Ich fragte mich, wie lange er zu bleiben gedachte. Glaubte er im Ernst, mich mit seinen Geschenken kaufen zu können? Offensichtlich! Und als ich ihn an diesem Sonntagmorgen bat, mich zum Gottesdienst zu begleiten, als ich an seinem Arm von San Marco in den Palazzo zurückkehrte, da sah er sich schon als Sieger unseres Duells. Aber hatte Giovanni Sforza mir nicht in der Cappella dei Magi die Wahl der Waffen überlassen?
Nun, ich hatte gewählt: Niccolò Machiavelli!
Es war ein wirklich vergnüglicher Nachmittag mit Poesie und Lautenspiel, Gesang und Tanz, fröhlicher Verliebtheit und quälender Eifersucht. Als Niccolò sich gegen Abend von Giovanni Sforza und mir verabschiedete, bat ich ihn, uns am nächsten Tag weitere Sonette vorzutragen.
Wenn ich nur geahnt hätte, auf was ich mich mit dieser harmlosen Einladung einließ! Der von Amors Pfeilen schwer verwundete Niccolò würde mir in den nächsten Jahren ein so liebevoller und treuer Freund werden, dass nicht nur Giovanni Sforza auf ihn eifersüchtig sein würde …
Ich hatte einen Fehler begangen, einen furchtbaren Fehler! Aus Gewohnheit, Gedankenlosigkeit – ich konnte es nennen, wie ich wollte: Ich war am Sonntag am Arm von Giovanni Sforza von der Messe in San Marco in den Palazzo zurückgekehrt. Heute wusste es Florenz, morgen die ganze Welt.
Der Weg vom Palazzo Medici zur Casa Vespucci war mir noch nie so lang erschienen wie an diesem Abend. Nach Niccolòs Besuch hatte ich den Palazzo verlassen, ohne die besorgten Blicke des Portiers zu beachten, ohne eine Leibwache mitzunehmen. Die alarmierten Rufe der Bewaffneten am Gittertor hatte ich ignoriert. Durch das offen stehende Portal war ich auf die Via Larga hinausgetreten, dann war ich zur Piazza del Duomo gelaufen und wollte über den Mercato Vecchio zur Kirche Santa Trinità gehen.
Bevor die Bewaffneten mich einholen und in den Palazzo zurückbringen konnten, war ich im Gewühl der Via Larga, zwischen Ochsenkarren und mit Kisten und Körben beladenen Eseln, zwischen Studiosi und Fratres, Marktfrauen und Bettlern verschwunden. Die ersten hundert Schritte waren die einfachsten. Niemand beachtete mich, weil niemand ernsthaft annahm, dass ich so dumm sein würde, allein, ohne Gefolge und ohne Leibwache, zu Fuß den Palazzo Medici zu verlassen.
Zugegeben: Es war nicht gerade die vernünftigste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe – aber was wäre alles nicht geschehen, wenn ich an diesem Abend zu Hause geblieben wäre! Es hätte keine Notwendigkeit bestanden, am nächsten Morgen so überstürzt nach Pisa aufzubrechen. Ich hätte ihn nicht getroffen. Jahre später hat Niccolò geschrieben: »Über die Hälfte unserer Handlungen entscheidet das Glück. Die andere Hälfte unterliegt unserem freien Willen …«
Die blauschwarzen Schatten der Abenddämmerung krochen langsam am Dom Santa Maria del Fiore empor, dessen Ziegel im Schein der untergehenden Sonne glühten. Erst das untere Drittel der neuen Fassade aus weißem, grünem und rotem Marmor war fertig gestellt. Die Kathedrale war unter einem gigantischen Gerüst aus Holz und Segeltuch verborgen. Der Dom von Florenz, die größte Kirche der Welt, sah aus wie ein gestrandetes Schiff mit zerrissenen, im Wind flatternden Segeln.
Auf der Piazza del Duomo hatte die abendliche Passeggiata begonnen, als ich am Baptisterium vorbei in die Straße zum Mercato Vecchio einbog. Verliebte flanierten Hand in Hand über den Domplatz. Auf den Stufen des Domportals saßen ein paar junge Männer und spielten Karten. Von weitem erkannte ich Michelangelo mit einem Skizzenblock auf den Knien. Er zeichnete einen Jungen, der ein paar Schritte entfernt die Tauben aufscheuchte. Kinder rannten über die Piazza und ließen einen Drachen steigen, und am Stand des Krapfenbäckers herrschte wie üblich großes Gedränge. Ein herrlicher Duft nach gebrannten Mandeln wehte über die
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