Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Piazza.
Eine Frau, die in Florenz allein unterwegs ist, erregt Aufsehen. Einige junge Männer, die vor der Loggia del Bigallo Boccia spielten, drehten sich nach mir um, flüsterten, lachten. Ich ignorierte sie. Sie betrachteten mich genauer: das Kleid, den Schmuck, das Gesicht.
»Ist das nicht …?«, hörte ich jemanden hinter mir flüstern.
»Ja, das ist sie! Sie war am Sonntag in San Marco. Ich habe gesehen, wie sie in den Palazzo Medici zurückkehrte.«
Ich ging schneller, aber es half nichts. Sie folgten mir.
»Sie ist Giulianos Tochter«, hörte ich ein paar Schritte hinter mir.
»Sie wird sicher Giovanni Sforza heiraten. Hast du nicht gesehen, wie die beiden am Sonntag Arm in Arm von San Marco zurückkehrten? Wie zwei Verliebte!«
Beinahe wäre ich auf dem Kopfsteinpflaster der Via Calimala gestolpert. Was für Gerüchte wurden denn über mich erzählt?
»Rede keinen Unsinn! Sie wird nicht diesen Conte von Nirgendwo heiraten, sondern den Herzog von Urbino.«
»Herzog Guido ist doch schon verheiratet!«
»Na und? Er ist jung, reich, gebildet und der Condottiere von Florenz. Er sieht sogar gut aus. Für den Magnifico ist kein päpstlicher Dispens zu teuer.«
Ich wagte einen Blick über die Schulter. Sie gingen mir nach, verfolgten mich! Sie wussten, wer ich war. Sie wollten wissen, wohin ich ging. Und wenn sie es herausgefunden hatten? Neue Gerüchte. Unsinn, gefährliche Halbwahrheiten, Lügen – alles, was irgendwie nach Skandal roch.
Was sie sich über mich erzählten, war beschämend und schmerzhaft genug. Aber sie würden auch diejenigen nicht verschonen, die ich liebte und die mich gern hatten. Sie würden über sie herziehen. Über Niccolò, der mich während der letzten Woche täglich besucht hatte. Über Amerigo. Das konnte ich ihm nicht antun! Aber was sollte ich tun? In den Palazzo zurückkehren? Oder sollte ich einfach weitergehen und so tun, als ob ich meine Verfolger und ihr bösartiges Gerede nicht wahrnahm?
Eine halbe Stunde später – es war mittlerweile dunkel geworden – erreichte ich Amerigos Haus. Ich war allein, meine Verfolger hatte ich in dem Labyrinth der Gassen um Santa Trinità abgehängt.
Nichts rührte sich, als ich klopfte. Niemand öffnete. Ich trat einen Schritt zurück auf das Pflaster der Straße und blickte zu den erleuchteten Fenstern empor. Die Innenläden waren nicht geschlossen, und es brannten drei oder vier Kerzen. Also war jemand zu Hause! Das energische Hämmern meiner Faust gegen die Eingangstür hörten dieses Mal sogar die Nachbarn.
Violetta, Amerigos Haushälterin, öffnete die Tür. Als sie mich erkannte, fiel sie mir um den Hals und zog mich ins Haus. »Caterina!«, rief sie. »Welch eine Überraschung! Wie geht es dir?« Violetta schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Vergebt mir, Signorina! Das Du ist mir so herausgerutscht.«
»Schon gut, Violetta. Ich bin immer noch Caterina«, lachte ich.
»Nein, nein, Ihr seid jetzt eine Medici. Und bald eine Sforza …«
»Wie bitte?« Waren die Gerüchte über meine angebliche Heirat mit dem Conte von Pesaro schon bis in dieses Haus gedrungen?
»Ihr wart doch am Sonntag mit Giovanni Sforza in der Kirche von San Marco. Ganz Florenz spricht darüber«, gestand Violetta.
»Deshalb bin ich hier, Violetta«, seufzte ich. »Ich muss mit Amerigo reden. Er wird sich in den letzten Tagen große Sorgen um mich gemacht haben. Mein Brief an ihn …«
»Er ist nicht hier«, erklärte Violetta.
»Wie?« Ich glaubte mich verhört zu haben. Es war schon dunkel. Amerigo musste längst aus dem Kontor zurückgekehrt sein – wie jeden Abend.
»Er ist nicht hier. Ihr habt den Weg vergebens gemacht. Der Signore ist seit letztem Freitag in der Villa Castello. Signor Sassetti, der Generaldirektor der Banca Medici und Leiter des Handelskontors, hat ihn über das Wochenende in die Medici-Villa eingeladen.«
Beinahe hätten meine Knie nachgegeben. Meine Hand tastete nach der offenen Tür. Amerigo war nicht zu Hause! Ich konnte nicht mit ihm sprechen, ihm nichts erklären!
»Er hat ihn doch noch nie eingeladen«, staunte ich. »Noch nicht einmal zum Essen!«
»Der Signore erwähnte bei seiner Abreise, dass er einiges mit Signor Sassetti zu besprechen hätte. Irgendetwas wegen der Filiale in Sevilla. Er war ja im Mai schon einmal in Spanien gewesen. Er sagte, er würde einige Tage fortbleiben.«
Was, zum Teufel, hatte Amerigo mit Francesco Sassetti in der Villa Castello zu besprechen? Am Wochenende, wenn dort
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