Die Karriere-Bibel
machen heißt: Entscheidungen treffen – und die können falsch sein.
Na und?!
Natürlich ist es klug, hohe Ansprüche an sich und andere zu stellen. Aber nur, solange diese realistisch sind. Sonst wird
man wichtige Entscheidungen immer wieder aufschieben, bis endlich alles so ist, wie man es gern hätte. Und das passiert nie
oder der Zug ist längst abgefahren. Nullfehlertoleranz können sich nur Götter leisten. Oder deutsche Ingenieure: Lars ist
einer meiner besten Freunde und Entwicklungsingenieur bei einem Kölner Autokonzern. Als er sich vor einigen Jahren ein Haus
kaufte, musste er die Bude praktisch kernsanieren. Türen und Fenster waren aus dem Rahmen, der Estrich wäre auch als polnische
Landstraße durchgegangen, und bei den Elektrokabeln konnte man nie sicher sein, ob sie nicht samt ihren Strömen davonkröchen.
Lars hat vieles in Eigenleistung optimiert – dem Ingenieur ist nichts zu schwör! Und wie sich das für einen deutschen Präzisionsentwickler
gehört, war er sehr gründlich. Ich habe ihm ein paar Mal geholfen und seine Sorgfalt und Akribie bewundert. Einmal haben wir
drei Stunden gebraucht, um ein paar Deckenlatten exakt in Waage zu bringen, damit er hinterher eine Holzdecke daran befestigen
konnte. Ich bin mir sicher, es gibt im Umkreis von 200 Kilometern keine perfektere Decke. Wenn ich ihn heute allerdings besuche,
blicken wir manchmal an seine wirklich waagerechte Wohnzimmerdecke und denken, dass es 90 Prozent vom Optimum auch getan hätten.
Perfektionismus hält auf. Er führt zu einem Tunnelblick, bei dem sich die Betroffenen auf Details konzentrieren, die für das
große Ganze nur geringe Bedeutung haben. Mängel können den Horizont erweitern: Ohne Fehler hätte Christoph Kolumbus nie Amerika
entdeckt. Erfolgreiche Menschen zeichnen sich gerade dadurch aus,
dass
sie Fehler machen, weil sie einfach mehr machen als andere. Ein Irrtum ist nichts Schlimmes, wenn er sich nicht wiederholt
und man |178| daraus lernt. So wie der IBM-Gründer Tom Watson. Als einer seiner Mitarbeiter einen schweren Fehler beging, kostete ihn das
600 000 US-Dollar. Daraufhin fragte man Watson, ob er den Mitarbeiter nicht feuern wolle, was Watson vehement verneinte. Er
sagte nur: »Ich habe gerade 600 000 Dollar in seine Ausbildung investiert. Warum sollte jemand anders diese Erfahrung gratis
bekommen?«
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28. Mai
Achtzigzwanzig – Warum kleine Ursachen große Wirkung haben
Es war im Jahr 1853, als George Crum, Koch eines Hotels im amerikanischen Saratoga Springs, die Wut packte. Ständig nörgelte
ein Gast über zu dicke Bratkartoffeln. Also nahm er die Erdäpfel, schnitt sie in papierdünne Scheiben und briet sie so knusprig,
dass sie mit Messer und Gabel nicht mehr zu essen waren. Der Gast war dennoch begeistert – so landeten die allerersten Kartoffelchips
der Welt als »Saratoga Chips« auf einer Speisekarte.
1992 erlebten amerikanische Forscher ihr blaues Wunder. Eigentlich wollten sie ein Medikament gegen Angina Pectoris (Brustenge)
entwickeln. Doch das Zeug hatte Nebenwirkungen. Besonders bei Männern: Während der 10-tägigen Studie stellten die Wissenschaftler
fest, dass die Probanden unter Einfluss der Pille eine Erektion bekamen. Zuerst war das peinlich, dann ein Milliardengeschäft
– namens Viagra.
Kleine Ursache, große Wirkung. Egal, wie sehr sich einer anstrengt, oft sind es die Zufälle und Nebenwirkungen, die das entscheidende
Quäntchen zum Triumph beitragen. Nicht 100 Prozent des Einsatzes entscheiden über 100 Prozent des Erfolgs, sondern in der
Regel deutlich weniger. Genau genommen sogar nur 20 Prozent. Das sagt etwa der italienische Soziologe und Ökonom Vilfredo
Pareto: Er untersuchte um 1906 die Vermögensverteilung in Italien und fand heraus, dass rund vier Fünftel des Vermögens bei
rund einem Fünftel der italienischen Familien konzentriert waren. Daraus folgerte er, dass die Banken sich lieber um diese
20 Prozent kümmern sollten. Das
Pareto-Prinzip
oder die
80:20-Regel
wurde zum |179| Schlagwort und seitdem auf viele Bereiche übertragen. Etwa auf den Vertrieb, wo 20 Prozent der Verkäufer oft für 80 Prozent
des Umsatzes verantwortlich sind, oder auf Lagerhäuser, wo 20 Prozent der Produkte oft 80 Prozent des Platzes beanspruchen.
Die Formel
Achtzigzwanzig
ist inzwischen aus der Mode gekommen. Leider. Im Berufsleben wirkt sie noch immer. Allerdings leicht modifiziert. So findet
beispielsweise Michael
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