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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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schuldig mache, indem ich den Degen gegen meinen Fürsten ziehe.«
    »Das ist die gerechte Strafe für meine Dummheit!« sagte sich Fabrizzio. »Ich werde eine Sünde büßen müssen, die mich gar nicht einmal lockte.«
    Kaum hatte der kleine Handel ein Ende, da erschienen mehrere Lakaien in Galalivree mit einer vergoldeten und seltsam bemalten Sänfte. Es war eines der schnurrigen Beförderungsmittel, die man zu Karnevalsmaskeraden benutzt. Sechs Männer, Dolche in der Hand, ersuchtenSeine Hoheit, einzusteigen, indem sie sagten, die frische Nachtluft könne seiner Stimme schaden. Man wahrte aufs äußerste die Form; das Wort Hoheit wurde alle Augenblicke wiederholt und geradezu laut gerufen. Der Zug begann sich in Bewegung zu setzen. Fabrizzio zählte auf der Straße mehr als fünfzig Mann mit Pechfackeln.
    Es mochte ein Uhr morgens sein. Alle Welt lief an die Fenster; der Zug zog mit einer gewissen Feierlichkeit dahin.
    »Ich fürchtete Dolchstöße Martinengos«, sagte sich Fabrizzio. »Er begnügt sich, mich zu verhöhnen. So viel guten Geschmack hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Oder sollte er wirklich glauben, es mit dem Erbprinzen zu tun zu haben? Wenn er wüßte, daß ich nur Fabrizzio bin, dann Achtung vor Dolchstößen!«
    Die fünfzig Mann mit den Pechfackeln und die zwanzig Bewaffneten hielten erst lange unter den Fenstern Faustas und zogen dann feierlich an den vornehmsten Palästen vorüber. Zu beiden Seiten der Sänfte liefen zwei Haushofmeister, die Seine Hoheit von Zeit zu Zeit fragten, ob er Befehle für sie habe. Fabrizzio verlor seine Fassung nicht einen Augenblick; dank der Helle, die die Fackeln verbreiteten, bemerkte er, daß Ludovico und seine Leute dem Zuge nach Möglichkeit folgten. Fabrizzio sagte sich: »Ludovico hat nur acht bis zehn Mann und kann keinen Angriff wagen.« Aus seiner Sänfte heraus sah er sehr wohl, daß die Männer, die mit der Ausführung dieses üblen Spaßes betraut waren, alle miteinander bis an die Zähne bewaffnet waren. Er zwang sich, mit den Haushofmeistern, die sich um ihn zu kümmern hatten, zu scherzen.
    Als dieser Festzug bereits länger als zwei Stunden gedauert hatte, zog man, wie er sah, auch durch die Straße, in der der Palazzo Sanseverina lag. Beim Einbiegen in diese Straße öffnet Fabrizzio rasch die Tür der Sänfte, die nach vorn geht, springt über die Tragstange, sticht einen Lakaien, der ihm seine Fackel ins Gesicht hält, mit einemDolchstoß über den Haufen. Er bekommt einen Messerstich in die Schulter; ein anderer Lakai versengt ihm mit seiner lodernden Pechfackel den Bart; aber schließlich dringt Fabrizzio zu Ludovico durch und schreit ihm zu:
    »Nieder mit den Fackelträgern!«
    Ludovico teilt Degenstöße aus und befreit Fabrizzio von zwei Männern, die hinter ihm hersetzen. Fabrizzio rennt bis zum Tor des Palazzos Sanseverina. Der Pförtner hatte aus Neugier die kleine niedrige Tür, die in das Tor eingelassen war, geöffnet und glotzte ganz verwundert den großen Fackelzug an. Fabrizzio ist mit einem Satz im Haus und schließt das Pförtchen hinter sich, eilt durch den Garten und entkommt durch eine Tür, die auf eine einsame Straße führt.
    Eine Stunde später war er außerhalb der Stadt. Bei Tage überschritt er die Grenze nach dem Gebiet von Modena und war in Sicherheit. Am Abend befand er sich wieder in Bologna.
    »Das war ja eine hübsche Geschichte!« sagte er bei sich. »Ich habe mit meiner Schönen nicht einmal reden können.«
    Schleunigst schrieb er zwei Entschuldigungsbriefe an den Grafen Mosca und an die Duchezza, vorsichtige Briefe, die die Vorgänge seines Herzens schilderten, ohne daß sie einem Feinde das geringste verraten hätten. »Ich war verliebt in die Liebe«, schrieb er der Duchezza. »Alles in der Welt habe ich getan, um sie zu erfahren. Aber offenbar hat mir die Natur das Herz zur Liebe und zur Schwermut versagt. Ich kann mich nicht über die gewöhnliche Sinnenlust hinaus erheben.«
    Man kann sich keinen Begriff machen, was für Staub dieses Abenteuer in Parma aufwirbelte. Das Geheimnisvolle erweckt die Neugier. Zahllose Menschen hatten den Fackelzug und die Sänfte gesehen. Aber wer war der Mann, den man entführt und dem die ganze Feierlichkeit gegolten hatte? Am Morgen wurde keine bekannte Persönlichkeit in der Stadt vermißt.
    Das niedere Volk, das in der Straße wohnte, wo der Gefangene entronnen war, munkelte, es wäre ein Leichnam zu sehen gewesen; aber am hell-lichten Tage, als die Einwohner aus ihren

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